17. April 2016

Ziemlich dreist

Es war schon - gelinde gesagt - recht verwegen, am Sonnabend den langen Kanten nach Saaz (Žatec) in Angriff zu nehmen. Auf dem Niederschlagsradar sah das viele Blau nämlich nicht nur bedrohlich aus, sondern die Regenwolken zogen genau in die Richtung meines gewählten Tourengebiets. Außerdem gab es bei dieser Strecke keine Kneifervariante, sieht man einmal von der Abkürzung der Tour ab. Über den Erzgebirgskamm mußte ich aufgrund der Streckenlänge jedoch immer.

Um genügend Zeitpuffer zu haben, startete ich also von Pirna schon sehr zeitig. Auf dem Nollendorfer Paß (Nakléřovský průsmyk) wurde es endlich hell, das Ende der anstrengenden "Nacht"fahrt. Bei nassen Straßen wird das Licht der Stirnlampe nahezu verschluckt und man sollte unbedingt die kritischen Abschnitte mit Schlaglöchern kennen, um nicht bereits am Morgen unangenehme Überraschungen zu erleben. Fahren mit maximal möglicher Geschwindigkeit ist allerdings trotzdem nicht möglich.

Mein Navi lotste mich optimal auf der Strecke und ersparte mir damit die gesamte Zeit für die Wegsuche. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich dies ohne das Gerät früher hinbekommen habe ...

Ging der erste Anstieg des Tages noch recht entspannt vonstatten, so lauerten dann im weiteren Verlauf eine ganze Menge giftiger Rampen auf mich. Dazu zählen unbedingt die Auffahrten ab Türmitz (Trmice, s. Track vom 16.04., km 45,7 - 47,9) hinein ins Böhmische Mittelgebirge sowie Drefze (Dřevce, s. Track vom 16.04., km 70,7 - 72,9) und schließlich auch die Wand des Erzgebirges ab Klostergrab (Hrob) über Niklasberg (Mikulov) hinauf zur Wittichbaude (Vitiška, s. Track vom 16.04., km 168,0 - 174,8). So, wie GPSies.com bei den Höhenmetern gern übertreibt, sind die diesbezüglichen Angaben auf Bikemap.net eher als unterste Grenze zu betrachten. Statt der prognostizierten ca. 2300 Hm kamen während der Tour fast 3000, genauer 2950 Hm zusammen. Daß dies in Anbetracht der Streckenlänge selbst für mich hart am Limit liegt, muß ich wohl nicht extra betonen. Deshalb ist es auch nur ein schwacher Trost, daß für mindestens 95 % aller Handbiker eine solche Tour weit jenseits ihres Erlebnishorizonts liegt. Dabei will ich gar nicht von den E-(Hand)Bikern reden, deren Akkus noch nicht einmal die halbe Strecke lang durchhalten würden.

Die markanten Berge des Launer (Louny) Gebiets des Böhmischen Mittelgebirges beeindrucken durch ihre teils steppenartigen Berghänge. Von rechts: Rannayer (Berg / Raná), Hoblik (Oblík) und Langer Berg (Srdov) (Aufnahmeort)
Es war jedenfalls eine sehr intensive Erfahrung, als sich auf dem Rückweg quasi vor mir die Mauer des Osterzgebirgskamms aufbaute. Dazu muß man wissen, daß das Mittelgebirge sehr schroff nach Böhmen hin abfällt. Auf reichlich 6 km Strecke ca. 500 Höhenmeter nach knapp 170 km anstrengender Fahrt, bei der bereits mehr als 2300 Hm zusammengekommen waren - solch eine Kletterei kann man nur mit einer gehörigen Portion von Schicksalsergebenheit und Leidensfähigkeit angehen! Denn ursprünglich hatte ich geglaubt, mich auf dem Rückweg ab Saaz bis Klostergrab etwas regenerieren zu können. Auf Bikemap.net sah dieser Abschnitt nämlich gar nicht so schlecht aus. Leider mußten dabei jedoch mehrere Täler mit Wasserläufen durchquert werden, was etliche zusätzliche Höhenmeter bedeutete.

Ich gebe es unumwunden zu: im Laufe der Tour mußte ich immer öfter und in immer kürzeren Abständen Zwischenstops während der Auffahrten einlegen. Den Schlußanstieg zur Wittichbaude (s. Strecke bei Quaeldich.de bis Abzweig zur Wittichbaude bei km 6,1) hätte ich anders nicht mehr bewältigen können.

All diese Aktionen haben natürlich enorm viel Zeit gekostet. Und so war es auch schon längst dunkel, als ich endlich wieder zuhause ankam. Meine Fahrzeit: 3.30 - 22.30 Uhr, freilich inklusive aller Pausen zum Fotografieren, Essen und Trinken, Ausruhen und Kathedern. Darum dürfte auch meine Durchschnittsgeschwindigkeit von 13,25 km/h keine Überraschung sein. Wiederholer werden den Wert allerdings einordnen können, denn viele meiner Alpentouren sind bei weitem nicht so anspruchsvoll gewesen.

Was bleibt? Das Gefühl eine der härtesten Touren meiner bisherigen Handbikerlaufbahn bewältigt zu haben, gegen welche die Vätternrundan geradezu wie Kindergeburtstag anmutet. Natürlich die auch zu dieser Jahreszeit einfach nur großartige Landschaft des Böhmischen Mittelgebirges (České středohoří) und das Wissen, daß Saaz mit großer Wahrscheinlichkeit die am weitesten südöstlich von Pirna gelegene Stadt ist, welche ich ab da mit dem Handbike erreichen kann.

Übrigens, der Allmächtige ist mit seinen Schäfchen. Abgesehen von ein paar wenigen Spritzern im Böhmischen Mittelgebirge, bin ich den ganzen Tag über von Regen verschont geblieben. Ich sah immer nur, wie sich einige Kilometer von mir entfernt das Unheil seine Bahn brach.

So muß es ein!

Track der Handbiketour vom 16.04.2016

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