23. März 2020

Alleinunterhalter

In Zeiten der um sich greifenden kollektiven Kopflosigkeit ist der körperliche Ausgleich nötiger denn je. Noch ist das nicht verboten, auch wenn seit heute morgen eine allgemeine Ausgangssperre (mit Ausnahmen) gilt.

Ich staune jedenfalls immer mehr, wie klaglos das die Leute hinnehmen - gerade auch die selbsternannten "Verfechter von Freiheit und Demokratie". Na, jetzt hat man wenigstens ein geeignetes Mittel gefunden, um die allermeisten Zeitgenossen zu konditionieren ... Und um die paar Abweichler muß sich die Politik nicht mehr kümmern, da diese bald durch den Rest der Bevölkerung auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Der verbale Angriff läuft schon längst, indem diejenigen, die sich persönliche Freiräume erhalten wollen, als (potentielle) Massenmörder verunglimpft werden - auch von Ministern.

So viel zu den unerfreulichen Entwicklungen. Doch natürlich lasse ich mir davon nicht das Leben vermiesen und genieße das Draußensein. Klar halte auch ich mich dabei an die von Vernunft diktierten Regeln: konsequente Einhaltung von Sauberkeit und Hygiene, Abstand halten, allein unterwegs sein. Vermutlich funktioniert das bei mir sogar besser als anderswo, lebe ich doch in einem Ein-Personen-Haushalt mit (derzeit) nur kurzen und klar definierten Kontakten zu anderen. (Ich bin schon wieder beim Thema angelangt ...😕)

Nach den warmen Tagen um die Wochenmitte herum, ist es nun noch einmal empfindlich kühl geworden. Bevor die Temperaturen endgültig in den Keller gingen, konnte ich am Sonnabend eine etwas längere als die obligatorische 100-km-Runde fahren. Zum Aufwärmen erst in das nördliche Umland von Dresden und Pirna, später dann in die Hintere Sächsische Schweiz.

Weil im Kirnitzschtal momentan die Straße wegen Holzrückarbeiten ab der Neumannmühle flußabwärts komplett gesperrt ist, mußte ich einen Umweg über einige als Radrouten im Nationalpark ausgewiesene Forstwege / -straßen nehmen. Schon kurz, nachdem ich auf den Großen Zschand (so heißt nicht nur das Gebiet, sondern auch der Weg) eingebogen war, verschlug es mir die Sprache. Ein Bild der Verwüstung katastrophalen Ausmaßes bot sich mir dar, was ich weder erwartet, noch bisher je im heimatlichen Gebirge gesehen hatte. Der vom Borkenkäfer vernichtete Baumbestand ist - so scheint es - rücksichtslos entfernt worden. Zurück blieben kahle, felsdurchsetzte Talhänge und Schluchten, und zwar großräumig. Das geschlagene Holz liegt nun provisorisch geschichtet am Fuß der Hänge neben den durch die Bergungsarbeiten in Mitleidenschaft gezogenen Wegen zum Abtransport bereit. Für mich ein weiteres Endzeitszenario.

Die Bärfangwände, von der Zeughausstraße aus gesehen.
Links die Bärfangwarte, etwas rechts der Bildmitte vor dem
Massiv der Bärfangkegel, einer der schwierigsten Klettergipfel
in der Sächsischen Schweiz (Aufnahmeort)
Natürlich kann man hin und wieder der Sache auch etwas Positives abgewinnen, wenn sich z.B. neue Ein- und Aussichten auf die Felsenwelt ergeben. Den Blick auf die Bärfangwände mit den Klettergipfeln Bärfangwarte und Bärfangkegel (s. Foto) hat es zu meinen Lebzeiten bisher so noch nie gegeben.

Sehr nachdenklich und auch traurig kehrte ich an diesem Tag von meiner Tour zurück. Mein geliebtes Felsengebirge in diesem Zustand zu sehen, tut weh. Im Moment kann ich mir nicht vorstellen, daß und wann diese Wunden jemals verheilen ...

Sonntags war es am Morgen noch ein ganzes Stück kälter. Deshalb ließ ich mir zunächst viel Zeit und wartete auf die wärmenden Sonnenstrahlen. Danach ging es ohne festen Plan auf die Piste, immer der Nase nach. Die führte mich erstaunlicherweise immer weiter nach oben, obwohl es dort spürbar kälter war. Nach dem Abstecher zum Weiler Bienhof am (gefühlten) Ende der Welt kletterte ich weiter hinauf bis auf ca. 640 m NHN zur Oelsener Höhe, dem höchsten Punkt im ursprünglichen Landkreis Pirna. Rund um den Aussichtspunkt lag ein wenig frisch gefallener Schnee, und die etwas höher gelegenen Wiesen im unmittelbar südlich angrenzenden Nachbarland zeigten sich sogar ganz in Weiß. Die Rundumsicht von hier oben war wirklich beeindruckend - besonders an solch einem klaren Tag, wie dem gestrigen.

Auf der Oelsener Höhe, am Horizont in Bildmitte der
Hohe Schneeberg (Děčínský Sněžní), mit 723 m NHN
der höchste Gipfel des Elbsandsteingebirges (Aufnahmeort)
Die allmählich während der Gipfelrast in die Glieder kriechende Kälte vertrieb mich bald von diesem einsam-schönen Ort. Den Rest der Tour verlegte ich in wesentlich niedrigere Regionen, wobei einer langen Abfahrt mit Zwischenanstieg ab Berggießhübel, dann ein relativ entspannter Abschlußzacken durch Müglitz- und Lockwitztal folgte. Nach etwas über 100 km hatte ich zwar meine Richtgeschwindigkeit noch nicht ganz erreicht, dafür aber das Wochensoll mehr als erfüllt. Damit stehen jetzt auch wieder die tausend Kilometer für den März zu Buche. Gut so!

Denn keiner weiß, was die nächste Woche bringt.

Track der Handbiketour vom 21.03.2020
Track der Handbiketour vom 22.03.2020

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