30. Juli 2021

Psychoterror

Der Donnerstag stand im Zeichen eines meiner letzten großen Alpenprojekte. Nachdem ich vor einigen Jahren bereits die 3-Pässe-Tour Furka-Nufenen-Gotthard gefahren bin, hatte ich mir nun die sich unmittelbar anschließende Route über Grimsel-, Furka- und Sustenpaß vorgenommen. Diese Rundstrecke ist noch einen ganzen Zacken schärfer - sowohl, was die Länge betrifft, als auch hinsichtlich der zu bezwingenden Höhenmeter.

Aus diesem Grund startete ich diesmal bereits in der Nacht gegen 2.00 Uhr. Ich wollte einen genügend großen Zeitpuffer für alle Eventualitäten zur Verfügung haben. Wie sich im Laufe des Tages herausstellen sollte, hatte das noch einen weiteren unschätzbaren Vorteil: ich war allein auf weiter Flur.

Nach dem völlig verregneten Transfertag strahlte der abnehmende Mond von einem beinahe wolkenfreien Himmel, und die Aussichten für den Tag versprachen Weltwetter. Über weite Strecken konnte ich mir also in der Nacht meine Stirnlampe sparen. Es war schon etwas ganz Besonderes, wie sich später allmählich erst die Konturen, dann immer mehr Details des Tals und der Berge um mich herum aus der Dämmerung schälten. Ich liebe diese Tageszeit!

Bereits 8.00 Uhr erreichte ich den Grimselpaß, allerdings begann da auch schon der Ausflugsverkehr vor allem der Motorradfahrer. Auf der Höhe umhüllten mich zwar die Wolken, doch bald ließ ich sie auf der Abfahrt nach Gletsch hinter mir. Der zweite Anstieg des Tages erwartete mich.

Von der Straße zum Furkapaß aus eröffnet sich
dieser herrliche Blick ins Tal unterhalb des
Rhonegletschers - rechts die Grimselpaßstraße
(Aufnahmeort)
Die Furkapaßstraße ließ sich lockerer befahren, als ich sie vom ersten Mal im Jahr 2003 in Erinnerung hatte. Nur das Mittelstück vor und nach dem Hotel 'Belvedere' am Rhonegletscher - oder besser: an dem, was inzwischen davon übrig ist - hielt einige steilere Abschnitte bereit. Die Witterung war jedoch beinahe optimal, denn selbst in der prallen Sonne, herrschten angenehme (Luft-)Temperaturen. 11.00 Uhr lag auch diese Auffahrt hinter mir.

Dennoch blieb ich weiterhin auf Habacht. Sich entspannt zurückzulehnen, dafür gab es noch überhaupt keinen Grund. Zumal ich befürchtete, daß der Anstieg auf den Sustenpaß zum Scharfrichter des Tages werden würde. Nach den mehr als 1500 Hm zum Grimsel und den knapp 700 Hm auf den Furka, erwarteten mich hier nämlich noch einmal etwas über  1300 Hm. Das war zum Schluß nicht auf die leichte Schulter zu nehmen!

Tatsächlich wurde es genau diese Schinderei, welche arg an der Grenze des Zumutbaren lag. Dabei spielte es noch nicht einmal die entscheiden Rolle, daß ich bei den vorangegangenen Auffahrten bereits etliche Federn gelassen hatte. Die nach einem kurzweiligen Beginn der Paßstraße in Wassen gleichmäßig steil und kehrenlos eintönig an der rechten Hangseite des Meientals aufwärts führende Straße wirkte auf mich ziemlich demoralisierend, da man bereits viele Kilometer zuvor deren Verlauf oberhalb überblicken konnte. Den größten Ärger bereiteten mir jedoch die abartig vielen Motorradausflüger. Eine solche Menge von dieser Spezies hatte ich bisher auf meinen Pässefahrten noch nie erlebt! Es war einfach nur krank, wie rücksichtslos mich nicht wenige dieser Möchtegern-Rennfahrer trotz Gegenverkehr überholten. Zwei-, dreimal wurde es dabei richtig gefährlich. Von dem Lärm, den die aggressiv und hochtourig gefahrenen Maschinen dabei verursachten, will ich gar nicht erst schreiben ... 

Mein deswegen permanent hoher Wutpegel verhinderte endgültig das letzte bißchen Freude an dieser Paßfahrt. Ich wollte nur noch, daß alles bald vorbei ist. 5,5 Stunden brauchte ich insgesamt bis zum Scheitelpunkt, 18.30 Uhr  stand ich endlich ganz oben. (Wobei ich mir den eigentlichen Paß abseits der Straße über dem Scheiteltunnel diesmal erspart habe.)

Nach einer weiteren halben Stunde kam ich auf dem Campingplatz in Gadmen an.

Geschafft, aber doch glücklich!

28. Juli 2021

Einfahren für die Berge

Wer hoch hinaus will, sollte erst die Niederungen durchqueren. Deshalb hatte ich mir für meine erste Tour in den Alpen zunächst das Gebiet rund um den Säntis ausgesucht. Flach ist es hier zwar keineswegs, doch lag der höchste gestern erreichte Punkt an der Talstation der Säntis-Seilbahn auf der Schwägalp "nur" bei ungefähr 1335 m NHN.

Blick von der Hauptstraße durch Wildhaus,
kurz nach deren Scheitelpunkt ins Toggenburg
(Aufnahmeort)
Trotzdem konnte von Unterforderung keine Rede sein, denn im Laufe des Tages standen neben der Auffahrt zur Paßhöhe in Wildhaus immerhin zwei Anstiege mit rund 430 Hm und 560 Hm an - so jedenfalls die Auskunft meines Navis. Besonders die Auffahrt zur Schwägalp forderte im anstrengenden Mittelstück vollen Einsatz. Nachdem ich bereits seit längerer Zeit nicht mehr so lange und gleichmäßig steile Auffahrten gefahren war, stellte mich diese erste Kletterpassage vor allem mental auf die Probe. Die Art und Weise, wie ich diesen Test bestanden habe, stimmt mich nun zuversichtlich für die nächsten Berge.

Leider war hinsichtlich des Wettergeschehens die Ausfahrt ein bißchen wie Russisch Roulette, denn es gab keine Möglichkeit die Rundtour abzukürzen. Der Morgen erwachte zwar wolkenlos, doch spätestens am frühen Nachmittag sollten die ersten Schauer, vielleicht auch Gewitter, niedergehen. (Wie das aussehen könnte, hatte der Vorabend eindrucksvoll bewiesen.) Mit dem zeitigen Start gegen 5.30 Uhr - noch vor dem Sonnenaufgang - hoffte ich jedoch, trocken durchzukommen. Es klappte. Nur ganz zum Schluß, in Appenzell ca. 6 km vor dem Ziel, mußte ich einen ersten Schauer unterm Dach einer Tankstelle vorbeilassen.

Im Laufe des Tages traf ich gestern sogar zwei Handbiker. Einer kam mir im Rheintal in seinem Adaptivhandbike mit e-Unterstützung entgegen, der andere überholte mich ebenfalls im E-Handbike hinter Appenzell während meines letzten Anstiegs auf Tour. Als ich ihn kurz darauf am geschlossenen Bahnübergang erreichte, schien er überrascht. Hatte er mich wirklich nicht gesehen, weil er auf der Straße und ich auf dem Fußweg gefahren war? - Mir selbst wäre es wahrscheinlich peinlich, mit einem Mohabi (Analogon zu Mofa: Motorhandbike) einen anderen Handbiker zu überholen, der nur mit ehrlicher Muskelkraft fährt.

Insgesamt gesehen, konnte ich auf meiner Akklimatisationstour zwar bei weitem nicht das Durchschnittstempo meiner heimatlichen Ausfahrten erreichen, doch spielt das bei meinen Pässejagd-Unternehmungen sowieso nur eine untergeordnete Rolle. 

Die Ausdauer zählt!

25. Juli 2021

Nichtolympische Sommerspiele

Morgen werde ich zur alljährlichen Alpenpässejagd zunächst in die Schweiz fahren. Die sommerlichen Kletterpartien in den großen Bergen gehören bereits seit vielen Jahren zu meinem Tourenprogramm, und dementsprechend respektabel liest sich die Liste meiner bisher im Handbike bezwungen Pässe, Gipfel oder sonstiger markanter Punkte auf Quaeldich.de.

Allerdings werde ich allmählich etwas müde, was nicht nur daran liegt, daß ich inzwischen fast alle Ziele von Rang und Namen bezwungen habe. Viel schöner und erlebnisreicher sind nämlich Urlaub bzw. Touren, wenn man nicht immer allein unterwegs ist. Leider gibt es nur sehr wenige Handbiker, die sich ebenfalls solche Aktionen vorstellen können - vielleicht lassen sie sich ja auch übermäßig von meinen Aktivitäten im Hochgebirge und zuhause beeindrucken.

Eine Ausnahme bildet glücklicherweise mein Schweizer Handbiker-Sportfreund Rudy (Homepage), mit dem ich auch im vergangenen Jahr während meines Sommerurlaubs zwei Touren vom Rohnetal aus unternommen habe. Aber natürlich muß er sich vor unseren Unternehmungen in seiner Familie abstimmen, die zuhause auf ihn wartet. Ich hoffe also in diesem Jahr auch auf den einen oder anderen gemeinsamen Ausflug, vor allem wieder im Wallis.

Die größte Unsicherheit birgt in den nächsten Wochen das wechselhafte und oft gewittrige Wetter mit vielen Regentagen, welches in der Schweiz den Sommer bisher nahezu ins Wasser fallen lassen hat. Mein banger Blick auf das Regenradar der Schweiz bestätigte in den vergangenen Tagen, was mir Rudy bereits mitteilte. Zwar könnte ich schlimmstenfalls weiter in den Süden nach Italien ausweichen. Doch, ob dort wesentlich besseres Wetter herrscht, scheint mehr als ungewiß.

Mal sehen, was schlußendlich wird ...

19. Juli 2021

Unterbodenwäsche

Nach dem vielen Regen am Sonnabend - der im hinteren Teil der Sächsischen Schweiz wieder verheerende Schäden angerichtet hat - wollte ich tags darauf nur eine 150er Strecke fahren. Damit hätte ich nämlich mein Monatsoll rein und könnte mich auf die Urlaubsvorbereitung konzentrieren.

Aufgrund der katastrophalen Situation im Gebirge entschied ich mich für eine Tour nach Norden in die flachen, aber auch offenen Gebiete von Sachsen. Das Lausitzer Seenland rund um Hoyerswerda ist eine Nachfolgelandschaft des jahrzehntelangen Braunkohletagebaus und erfreut sich bei flachlandliebenden Radlern zunehmender Beliebtheit.

Für mich wurde es eher ein Kilometerfressen, denn solchen Gegenden ohne sprichwörtliche Höhepunkte kann ich nicht viel abgewinnen. Immerhin war ich spätestens nach dem letzten Anstieg hinter Kamenz so schnell mit dem Handbike zugange, daß ich am geplanten Umkehrpunkt nördlich vom Knappensee meine Runde schließlich noch bis zum Scheibensee erweiterte.

Rund zehn Kilometer vor Bischofswerda wurde es wieder etwas hügeliger, doch selbst dann kamen keine kräftezehrenden oder steilen Anstiege. Nachdem ich bereits 16.00 Uhr Neustadt erreichte, wußte ich, daß ich meine Ausfahrt zu einem zusätzlichen, weil ungeplanten Langen Kanten ausdehnen würde. Zwar fehlten mir in Bad Schandau immer noch etliche Kilometer, um die 200+km mittels einer entspannten Heimfahrt auf dem Elberadweg zu erreichen, doch dafür gab es ja meine beliebte linkselbische Rennstrecke über Cunnersdorf.

Panorama von der Straße nach Hohburkersdorf über den südlichen Teil des Elbsandsteingebirges (Aufnahmeort)
Auf diesem Extrazackel wurde es noch einmal richtig spannend. Während des Unwetters vom Vortag war der Bach in Krippen innerhalb weniger Stunden so stark angeschwollen, daß er alles im Talgrund inklusive der Straße überflutete. Eine Spur der Verwüstung zog sich durch das ganze Dorf. Vor allem am Ortsausgang in Richtung Cunnersdorf herrschte noch immer Chaos, welches Anwohner und Helfer auch mit schwerer Technik zu bändigen versuchten. Hingegen hatte man die Durchgangsstraße inzwischen beräumt, so daß ich trotz Vollsperrung der Ortslage passieren konnte.

Unmittelbar hinter dem Abzweig nach Cunnersdorf floß jedoch weiterhin der Krippenbach die Straße entlang. Offensichtlich war der Wasserstand immer noch zu hoch oder aber das Wasser wurde durch Hindernisse im Bachbett gestaut bzw. umgeleitet. Ich riskierte es trotzdem, dieses stark strömende Wasser auf dem unbeschädigten Asphalt (soviel konnte man sehen) am Rand bzw. den höher gelegenen Straßenteilen im Handbike zu durchqueren. Zweimal wurde es dabei richtig eng, denn der Rahmen am Sitz meines Gefährts erzeugte schon eine Bugwelle. Zum Umkehren war es allerdings sowieso zu spät - also nichts wie durch und hoffen, daß es nicht noch tiefer wird. Am Ende blieb es bei nassen Hosenbeinen und einem feuchten Sitz, was ja aufgrund der warmen Temperaturen und des freundlichen Wetters auf den letzten 30 Kilometern durchaus zu verschmerzen war.

Leider habe ich kein Bild von der überfluteten Straße gemacht, die würde meine Schilderung bestimmt gut illustrieren! Aber in diesem Moment galt meine Aufmerksamkeit eben ganz anderen Dingen. Ein Mountainbiker kehrte an dieser Stelle jedenfalls um.

Nun befürchte ich, daß die Straße von Krippen bis zur Auffahrt aus dem Krippenbachtal hinter der Forstmühle bei Kleingießhübel wieder längere Zeit komplett gesperrt bzw. nur mit Einschränkungen befahrbar sein wird. Unterwegs gab es nämlich etliche Stellen, wo die Straße unterspült zu sein schien bzw. die Bacheinfassung durch die Fluten stark beschädigt wurde. Wie übrigens auch bei der Straße durch das Kirnitzschtal auf der anderen Elbseite.

Keine rosigen Aussichten!

17. Juli 2021

Porentief gespült

Mehr durch Zufall stellte ich gestern vormittag fest, daß für den Sonnabend viel Regen angekündigt wurde. Ein Grund mehr, sich noch am Freitag nach dem zeitigen Arbeitsschluß auf's Radl zu schwingen. Erneut setzte ich auf die Berge, indem ich mich nach Süden in Richtung Osterzgebirge wandte.

Dementsprechend sammelte ich die allermeisten Höhenmeter während der ersten Hälfte der Tour, bis auf dem wunderschönen - sowohl, was den Belag (Asphaltdecke) als auch, was das Landschaftserleben betrifft - Radweg rund um Liebenau (s. Track vom 16.7., km 46,6 - 55,7) die größten Anstiege endlich hinter mir lagen. Wegen der hohen Luftfeuchte waren diese Kilometer meist eine ziemlich schweißtreibende Angelegenheit - ähnlich wie in der Sauna, nur mit vollem Körpereinsatz.

Bereits jedoch auf der ersten steilen Abfahrt nach 20 km ratterte meine Bremse, kein gutes Zeichen. Die Bremsbeläge waren fertig, doch würde ich sie unterwegs noch sehr häufig benötigen. Also hielt ich auf einem Parkplatz im Wald und holte meine "Not"beläge raus. Das sind schon einmal verwendete, aber noch nicht komplett abgenutzte Brakepads für meine Magura MT5, die sich dadurch auch ziemlich unkompliziert einbauen lassen. Runter vom Bock ins Gras, Werkzeug rausgeholt und ran an die Arbeit! Ohne in Hektik zu verfallen und mit der unbedingt notwendigen Gelassenheit war der Belagwechsel vom Absitzen zum Aufsitzen in ca. 20 Minuten erledigt. Nun konnte es guten Gewissens weitergehen.

Das "Hörnchen von Börnchen" (Aufnahmeort)
Weil ich mir gestern für meine Nachmittagsrunde nur eine 1,5 l Flasche Limonade mitgenommen, ich beim Bergauffahren jedoch schon viel Flüssigkeit durch Schwitzen verloren hatte, wurden noch vor der langen Abfahrt meine Trinkvorräte knapp. Meine Fehleinschätzung bei der Planung war wohl wegen der eigentlich mit 24 - 27 °C recht moderaten Temperaturen zustandegekommen. Jedenfalls freute ich mich, als ich kurz vor der endgültigen Abfahrt in Börnchen zum ersten Mal den Brunnen neben dem Feuerwehrgerätehaus entdeckte. Ich fand den Wasserspender ziemlich originell, vor allem in Verbindung mit dem angebrachten Spruch. Das Wasser war jedoch selbst für mich nicht zu gebrauchen, denn meine zuvor noch schnell geleerte Flasche füllte sich nur mit einer grünlichbraunen, trüben Brühe. Auf den Trinktest habe ich daher verzichtet.

Glücklicherweise rollte es nun auf den letzten 50 km fast nur noch bergab, so daß ich bis zuhause nicht mehr trinken mußte. Weil ich dabei außerdem ordentlich in die Kurbeln griff, schaffte ich mit dem kleinen Umweg über Dresden-Kleinzschachwitz nicht nur mein Strecken-, sondern auch noch das Geschwindigkeitssoll.

Trotz allem.

13. Juli 2021

Herbe Schönheit

An meinem arbeitsfreien Tag bin ich gestern endlich wieder einmal hinauf ins Osterzgebirge gefahren. Immerhin waren dabei aus dem Elbtal bei Pirna bis zum Kamm südlich von Moldau (Moldava) mehr als 700 Hm Höhendifferenz auf rund 30 km Luftlinie zu überwinden. 

Die Steinrücken bei Fürstenau sind ganz charakteristisch
für die Landwirtschaft im Osterzgebirge (Aufnahmeort)
Diese lange Anfahrt ist inzwischen auch der Hauptgrund, warum ich hier nicht viel öfter mit dem Handbike unterwegs bin - zumal es in meinem Einzugsgebiet nicht so viele mögliche Streckenvarianten dahin gibt. Denn vor allem die rauhe, karge Landschaft in Höhen um 800 m NHN übt auf mich einen besonderen Reiz aus. Diese Hochflächen stellen nicht nur ein landschaftliches Kleinod dar, sie sind während der Woche auch sehr einsam. Am Wochenende freilich herrscht vor allem auf der Kammstraße zwischen Wittich-Baude (Horská chata Vitiška) und Schönwald (Krásný Les, s. Track vom 12.07., km 58,9 - 81,8) Hochbetrieb: die meisten der Auto- und Motorradtouristen sind Deutsche, und dank Motorkraft haben die Mofafahrer (euphemistisch als E-Biker bezeichnet) mittlerweile ebenfalls diese herrliche Strecke für sich entdeckt.

Das kleine Sträßchen von Schönwald zur tschechisch-deutschen Grenze im Oelsengrund kennen hingegen nur wenige. Denn die meisten Leute werden nicht wissen, daß hier Radfahrer und Wanderer über eine alte Brücke (ganz legal) die Grenze überqueren können. Allerdings muß man sich anschließend auf schlechten bzw. schotterigen / sumpfigen Wegen rund 900 m im Schrittempo mühen (s. Track vom 12.07., 84,5 - 85,4), bevor der Untergrund ab der Unterquerung der Autobahnbrücke endlich wieder asphaltiert ist.

Ab Breitenau rollte es schließlich bis nachhause nur noch bergab.

Fast 25 km Fahrvergnügen!

11. Juli 2021

Tantalus

Gestern bin ich den neunten und voraussichtlich letzten Langen Kanten der Saison gefahren - das sind damit nun mehr als selbst im bisher erfolgreichsten Jahr 2020.

Dabei wurde mir jedoch nichts geschenkt. Zwar war die Witterung für solcherart Vorhaben erneut nahezu optimal - nicht zu warm und nur wenig Wind - dafür hatte es aber die Strecke vor allem auf den ersten 80 km ganz schön in sich. Es gab nämlich diesmal keine langen Anstiege, sondern viele kleinere Rampen mit teilweise ziemlich hohen Steigungsprozenten. Das Sägezahnprofil mit lauter kleinen Zacken spricht da eine deutliche Sprache ...

Jedenfalls ging das alles nicht spurlos an mir vorüber, und natürlich spielte der Kopf dabei wieder eine nicht zu unterschätzende Rolle. Immerhin kannte ich die Anfahrt nach Freiberg bereits und wußte genau, was mich bis dahin erwartet. Also war das "selbstverschuldetes Elend", doch gerade deswegen stelle ich mich ja diesen Herausforderungen. Auf dem Elberadweg hin- und zurückfahren kann jeder ...

Selbst hinter Freiberg erwarteten mich noch viele Berge, einer davon durchaus ungeplant. Denn im Striegistal wurde mir die einfachste Variante durch den Steinbruch des Hartsteinwerks Berbersdorf unmöglich gemacht (s. Track vom 10.07., km 80,7). Ein verschlossenes Tor und unmißverständliche Hinweise zwangen mich zur Umkehr und zusätzlichen Höhenmetern.

Einige Kilometer nach Döbeln luden mich einige prall mit Früchten behangene Kirschbäume zum Verweilen ein. Schon einmal an diesem Tag - kurz vor Obercunnersdorf (s. Track vom 110.07, km 37,4) - standen unmittelbar am Straßenrand Kirschbäume mit mehr rot als grün in den Ästen. Dort konnte ich jedoch nichts ausrichten. Die Zweige hingen zwar so tief herab, um diese vom Handbike aus zu erreichen. Doch aus der Nähe besehen, machte es letztlich ein Straßengraben und der unbefestigte Seitenstreifen sehr riskant, nach den Kirschen mit den Händen zu angeln. Irgendwie erinnerte mich das an Tantalus, der als Strafe der Götter weder die Früchte über seinem Haupte greifen, noch das Wasser, in welchem er stand, trinken konnte. Qualen mußte ich gestern allerdings deswegen keine erleiden, und beim zweiten Versuch am Ortsausgang von Lüttewitz (s. Track vom 110.07, km 107,5) war ich endlich erfolgreich. Auch, wenn ich "nur" an gelbe Kirschen rankam. Eine Frau, die dort gerade mit ihrem Hund spazierte, fragte mich, ob man das Obst von den Bäumen überhaupt essen könne. Dumme Frage!!! 

Ein Kornfeld vor der Windmühle von Ebersbach -
fast wie in alten Tagen (Aufnahmeort)
Als ich endlich Meißen erreicht hatte und beim Aufstieg aus dem Elbtal an den Elblandkliniken vorbeifuhr, kam mir außerdem spontan die Idee, dort meine inzwischen bedrohlich zur Neige gehenden Flüssigkeitsvorräte aufzufüllen. Die Dame an der Rezeption und der Wachmann schauten zwar etwas verdutzt, aber letzterer füllte mir liebenwürdigerweise meine Flasche mit eiskaltem Trinkwasser auf. Sogar mit Sprudel! Während der Freßpause bei dieser Gelegenheit wurde auch mein Tatendrang neu geweckt.

Die letzten 50 km und somit der Abgesang der Tour erwiesen sich einmal mehr als Fleißaufgabe. Allmählich zählte ich währenddessen hautsächlich die Höhenmeter, denn Berge hatte ich inzwischen ausreichend absolviert. In Rossendorf packte ich schließlich mein Geleucht aus, damit mich zum Schluß nicht noch die Autofahrer in der Dämmerung über den Haufen fahren. Punkt 22.00 Uhr war der Ausflug Geschichte.

Den statistischen Wochenschnitt rettete mir meine Freitagsrunde. Eigentlich sollte an diesem Tag der angekündigte MDR-Dreh stattfinden, doch nach der übereinstimmend verheerenden Wetterprognose einigten wir uns  auf eine Verlegung des Termins. - So schlimm kam es dann jedoch nicht. Nach dem Abzug des Regens startete ich deshalb schließlich gegen 10.15 Uhr zu einer Handbiketour.

Es wurde eine schnelle Runde, welche noch viel entspannter hätte enden können, wenn ich gegen 15.45 Uhr ein paar Minuten länger unter dem schützenden Dach eines Buswartehäuschens in Ullersdorf geblieben wäre. Denn da näherte sich mir gerade eine tiefschwarze Wolkenbank, so daß ich dort einen Zwischenstop einlegte. Nachdem ich jedoch das Wetterradar überprüft hatte und auf dem Handydisplay nichts Auffälliges zu sehen war, entschied ich mich zur Weiterfahrt. Eine echte Dummheit, denn wenige hundert Meter darauf öffnete der Himmel seine Schleusen. Schon nach kurzer Zeit schützte mich das dichte Blätterdach meines Zufluchtsortes am Straßenrand nicht mehr, so daß ich gründlich durchgespült wurde. Diese 10 Minuten mußten eigentlich nicht sein, weil danach die Wolken am Himmel wieder ganz unschuldig aussahen. Fazit: Öfter mal dem eigenen Bauchgefühl Vorrang vor irgendwelchen medialen Errungenschaften geben!

Am Folgetag war noch längst nicht wieder alles trocken.

Track der Handbiketour vom 09.07.2021
Track der Handbiketour vom 10.07.2021

5. Juli 2021

Tief im Osten

Vor allem für den Sonnabend war nahezu  perfektes Radlwetter angesagt: sonnig, doch nicht zu warm und dabei nur wenig Wind aus östlicher Richtung. Oft ist nämlich gerade der Juli schon viel zu heiß, um längere Touren bis weit in die zweite Tageshälfte einigermaßen innerhalb des persönlichen Komfortbereichs über die Bühne zu bringen.

Da paßte es gut, daß ich am Tag zuvor den nächsten Langen Kanten tief ins Böhmische zusammengestellt hatte. Diesmal sollte es bis zu den Bösigen (Bezdězy) gehen. Der markante Doppelgipfel dominiert weithin die Umgebung und ist damit ein landschaftliches Wahrzeichen Nordböhmens. Den höheren Bösig (Bezděz) selbst bekrönt wie aus einem Bilderbuch zudem die Ruinen einer gotischen Höhenburg. Leider führt kein einigermaßen fahrbarer Weg dort hinauf, sodaß ich mir den Weg bis zur Ortschaft unterhalb des Gipfels sparte und den Berg nur anpeilte. - Vielleicht ergibt sich ja ein andermal die Gelegenheit, mit Freunden und viel Hilfe die Burg im Rollstuhl zu erobern ...

Je näher ich dem Tagesziel kam, um so schöner wurde die Landschaft. Gerade die Täler in der sogenannten Daubaer Schweiz (Dubské Skály) waren mit ihren Felsen nicht nur sehr romantisch, sondern nach dem Regen am Morgen auch angenehm kühl. Leider verpaßte ich kurz vor dem Umkehrpunkt dann den richtigen Moment, um den steil aufragenden Bösig mit der Burg fotografisch eindrucksvoll in Szene zu setzen. Erst über 20 Kilometer später hatte ich wieder einen freien Blick über die Landschaft, aber da konnte man die Steilheit und Dimension dieser Berge im Hintergrund nur noch erahnen. Am sehr beliebten und deshalb touristisch stark frequentierten Mácha-See (Máchovo jezero) mit der Ortschaft Hirschberg am See (Doksy) fuhr ich diesmal außerdem östlich durch ausgedehnte, trockene Kiefernwälder vorbei, welche mir die ungehinderte Fernsicht verwehrten. Vom Seeufer hätte ich sonst sicher etwas mehr gesehen.

In Böhmisch Leipa (Česká Lípa) bot sich ein kurzer Abstecher ins Zentrum an, bisher habe ich immer nur die wenig attraktiven Außenbezirke passiert. Dabei ist die Altstadt wirklich sehenswert. Außerdem fand ich dort einen dieser schönen (Trink-)Wasserspender, der mir Flüssigkeitsnachschub ermöglichte.

Auf der Weiterfahrt erreichte ich dann bald mein heimatliches Einzugsgebiet. Es kamen zwar noch einige Anstiege, die sich nun etwas hinzogen, weil ich sie schon kannte. Aber bevor ich endlich den Grenzübergang Schmilka erreichte, lagen diese letzten anstrengenden Streckenabschnitte hinter mir. Die 30 km Heimfahrt im Elbtal waren nur noch eine Zeitfrage.

Gestern hatte ich mir erneut einen Kurzbesuch in der Bergwachthütte Rathen vorgenommen. Ich wollte dort auf Kaffe und Kuchen vorbeikommen, denn Christiane, ihr Mann und ihre älteste Tochter sowie weitere Truppenteile der Bereitschaft Großenhain hatten Dienst. Für mich ist das immer eine prima Gelegenheit zum Austausch. Wenn ich mir darüberhinaus mal richtig den Bauch vollschlagen kann - umso besser! 😂

Etwas abseits der Straße findet man in Rathen
dieses schöne Fotomotiv mit den Klettergipfeln
der Feldköpfe (Aufnahmeort)
Natürlich mußte ich aber vorher entsprechend Kalorien verfeuern. Also schlug ich einen weiten Bogen über das östliche Erzgebirgsvorland mit Seidewitz- (Liebstadt), Müglitz- (Schlottwitz), Lockwitz- (Kreischa) sowie dem Weißeritztal (Freital) bis nach Dresden, um letztlich über die westlichen Ausläufer des Elbsandsteingebirges rechtzeitig am frühen Nachmittag zum Kaffeekränzchen im angenehm frischen Amselgrund einzutrudeln. Bereits in ein paar Tagen werde ich wieder in dem beliebten Kurort der Sächsischen Schweiz unterwegs sein - dann stehen aber Dreharbeiten für den MDR-Sachsenspiegel an.

Fast drei Stunden habe ich es mir bei meinen Freunden gutgehen lassen, bevor ich mich endlich - zunächst ziemlich träge - auf den Heimweg begab. Das Abendbrot war an diesem Tag eigentlich überflüssig ...