16. März 2020

Kontrollverlust

Der Zirkus um das Corona-Virus entwickelt eine Eigendynamik, die nun erstmals erheblich in das öffentliche Leben eingreift. Die Auswüchse nehmen immer groteskere Züge an, denen doch nichts anderes als die Hybris des Menschen zugrundeliegt, immer alles kontrollieren zu können. Was aber, wenn in drei / vier Monaten die Lage sich immer noch nicht grundlegend verändert hat?!

Wegen der am Abend bevorstehenden Grenzschließung haben mein tschechischer Kamerad Lád'a und ich uns am Freitag kurzfristig noch einmal zu einer gemeinsamen Nachmittagsrunde verabredet. Denn keiner weiß, wann wieder mit einer Normalisierung des Lebens zu rechnen ist. Ich kam ihm auf dem Elberadweg entgegen, und kurz vor Schmilka fing er mich dann ab. Danach fuhren wir auf der kraftverkehrsfreien, doch bestens aspaltierten Trasse durch den  linkselbischen Teil des Gebirges immer weiter ansteigend in Richtung Staatsgrenze.

Der Fußgängergrenzübergang "Eulenthor" oberhalb von Rosenthal wurde mittlerweile (wie in alten Zeiten) mit Betonplatten verbarrikadiert. Mit meinem Handbike komme ich dort nun auf der Straße nicht mehr durch, sondern muß auf dem seitlich abschüssigen unbefestigten Randstreifen um die Sperre herummanövrieren. Idiotisch! Schließlich rollten wir auf tschechischer Seite über Tyssa (Tisá) noch weiter bis Peterswald (Petrovice), wo wir uns trennten. Es hatte schon etwas Surreales, darüber zu sinnieren, wann wir uns das nächste Mal persönlich wiedersehen werden. - Genau so zerstört man jegliche Strukturen und unterbindet soziale Kontakte! Steckt Methode dahinter?

Von nun an bleiben mir erst einmal Ausflüge ins Nachbarland, das längst zu meiner zweiten Heimat geworden ist, verwehrt. Deshalb konnte ich am Sonnabend bei meiner Fahrt in Richtung Osten auch nicht die Abkürzung durch den Schluckenauer Zipfel (Šluknovský výběžek) nehmen. Teilweise bis auf Sichtweite an die Grenze heran, rollte ich also bei strahlendem Sonnenschein auf deutscher Seite durch das Lausitzer Bergland. Eigentlich wollte ich bis Löbau kommen, doch war ich an diesem Tag langsamer als sonst unterwegs. So drehte ich bereits hinter Beiersdorf ab, um dann nördlich des Hinwegs zurückzufahren. Eine knappe halbe Stunde vor dem Sonnenuntergang war ich zuhause. Wenn ich das nächste Mal in dieser Gegend auf Achse bin, werde ich endlich wieder einmal auf den Löbauer Berg mit seinem gußeisernen Turm fahren. Hätte ich den am Sonnabend noch erklommen, wäre ich ganz sicher in die Dunkelheit gekommen. Das mußte nicht sein ...

Gestern stellte ich mir meine Runde ebenfalls recht spontan und Stück um Stück zusammen. Überhaupt bin ich in letzter Zeit meist ohne festen Streckenplan gestartet, ganz anders, als ich es in den letzten zwei, drei Jahren nach Einführung des Fahrradnavis gehalten habe. Aber gerade bei unklaren Witterungsbedingungen (Kälte, Wind) ist das wesentlich besser - zumal ich mich ja in der Heimat wie kein zweiter auf den Straßen auskenne und die Entfernungen inklusive des Streckenprofils quasi im Kopf abgespeichert sind.

Blick über Oberfrauendorf zum Luchberg (Aufnahmeort)
Am Beginn der Hochwaldstraße oberhalb von Oberfrauendorf, dann wieder eines der Erlebnisse, die mich einfach nur ärgern. Ein Jogger kommt mir entgegen, ich grüße. Keine Reaktion. Ich grüße ein zweites Mal - wieder keine Reaktion. Daraufhin rief ich ihm "Stiesel!" nach. Kurz daruf, nachdem ich ein paar Minuten mit einem älteren Ehepaar geschwatzt hatte, traf ich den Typen, der inzwischen zu seinem Auto zurückgekehrt war, wieder. Da fragt mich dieser Möchtegern-Sportler doch tatsächlich, was ich für ein Problem hätte, daß ich ihn (Zitat) "beleidigen" würde!! Bevor ich ihn stehengelassen habe, erklärte ich ihm daraufhin, wie unhöflich es wäre, einen Gruß nicht zu erwidern. Offensichtlich ginge das jedoch über seinen geistigen Horizont. Junge, Junge: die grundlegendsten Formen der Höflichkeit nicht beherrschen und dann so ein Spruch! Normalerweise sind solche Gestalten für mich Luft - aus dem gleichen Grund grüße ich nur dann als erster, wenn ich mir einigermaßen sicher sein kann, daß mein Gegenüber auf meiner Wellenlänge agiert. Zur Hauptverkehrszeit auf dem Elberadweg liegt diese Quote übrigens nahe null Prozent.

Irgendwie hatte ich an diesem Tag sowieso den Eindruck, daß viele Leute angespannter als sonst waren. Vielleicht sind das tatsächlich schon die ersten Auswirkungen dieses Affentheaters. - Das kann ja heiter werden!

Mir selbst jedoch ging es am Sonntag richtig gut. Nach dem für mich unerklärlichen Leistungseinbruch des Vortages, legte ich trotz der Höhenmeter wieder einen Zahn zu. Dafür war ganz sicher nicht nur der Wind verantwortlich, den ich bei meiner Fahrt zurück ins Elbtal im Rücken hatte. Aus diesem Grund genehmigte ich mir hinter Dippoldiswalde noch etliche weitere erwähnenswerte Anstiege, bevor ich mich am Ende auf dem Elberadweg in die Schar der Sonntagsausflügler einreihte und zurück nach Pirna rollte.

Heute soll nun mein Belastungs-EKG in der Abteilung für Sportmedizin und Rehabilitation am Uniklinikum Dresden stattfinden, sofern diese Untersuchung nicht wegen der aktuellen Entwicklung gestrichen wurde. Am Freitag bestätigte man mir auf Nachfrage jedenfalls noch den Termin. Auslöser dafür waren ja meine gesundheitlichen Auffälligkeiten im Januar dieses Jahres. - Ich bin gespannt, was dabei herauskommt, habe jedoch ein gutes Gefühl.

Inzwischen läuft es nämlich wieder richtig rund.

Track der Handbiketour vom 13.03.2020
Track der Handbiketour vom 14.03.2020
Track der Handbiketour vom 15.03.2020

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