31. Mai 2020

Berlin Alexanderplatz

Bereits vor drei Jahren, nämlich Ende Mai 2017, bin ich mit dem Handbike in die tschechische Hauptstadt Prag und wieder zurück gefahren. Doch wie wäre es mit einer Tour in die deutsche Hauptstadt? Dieser Gedanke kam mir jedenfalls relativ spontan, als ich zu Beginn der laufenden Radsaison über mögliche Projekte nachdachte. Einen Titel hatte ich auch schon, abgeleitet vom Roman Alfred Döblins aus den zwanziger Jahren. Bei dieser Fahrt würden es allerdings etliche Kilometer mehr werden, obschon die Höhenmeter im Vergleich zum Projekt "Zum Frühstück nach Prag" fast zu vernachlässigen waren.

Nach der Planung der Strecke wartete ich auf eine passende Gelegenheit, mich der Herausforderung zu stellen. Die ergab sich für das letzte Maiwochende, als eine Freundin (die mir im Haushalt hilft) mit ihrem Mann über Pfingsten die Verwandten nahe Berlin besuchen wollte. Das paßte mir ausgezeichnet, denn damit stand mir quasi auf halber Strecke ein Versorgungsdepot zur Verfügung. Ich bat also meine Bekannte, einige Wechselsachen, Hygieneartikel sowie ein paar Kraftdrinks von mir mitzunehmen. Außerdem wollte sie sich um zusätzliche Verpflegung (Getränke, Essen) kümmern. Damit würde ich dort dann meine Vorräte wieder auffüllen können, ohne gleich alles von Beginn an mit mir zu führen.

Natürlich mußte ich bei der konkreten Durchführung darauf achtgeben, daß ich in einem geeigneten Zeitfenster am Depot aufkreuze. Optimal war dafür der Zeitraum zwischen 17.00 und 20.00 Uhr. Mit dem von mir genutzten Programm "GPS-Track-Analyse.NET 6" ist diese Abstimmung allerdings gar nicht so schwierig. Zwar funktionieren in der Software wegen der Änderungen der Google-Nutzungsbedingungen die Karten nicht mehr, aber nach wie vor kann ich nach dem Hochladen einer GPX-Datei diese mit einer Startzeit und geschätzten Durchschnittsgeschwindigkeit versehen und auf den Kilometer genau ermittteln, zu welcher Zeit ich den festgelegten Ort erreichen werde. In Verbindung mit z.B. Bikemap, weiß ich, wieviel Kilometer ich am Punkt zurückgelegt habe und kann damit die Stelle auf dem Streckenprofil von GPS-Track-Analyse anklicken. Da die genannte Anwendung nicht mehr angeboten wird, ist die Suche nach der alten Version im Netz etwas schwierig - deshalb auch kein Downloadlink (mehr) von mir.

Aus den eben dargestellten Gründen startete ich am Sonnabend bereits kurz vor zwei Uhr in der Nacht. Der Vorteil solcher Nachtfahrten liegt darin, daß man mutterseelenallein in der Welt unterwegs ist und damit auch tagsüber problematische Passagen (z.B. stark befahrene Straßen) völlig ungestört befahren kann. Bezüglich der Geschwindigkeit sollte man sich jedoch auf schlecht gepflegten Nebenstraßen etwas zurückhalten, weil man Schlaglöcher o.ä. trotz guter Beleuchtung wesentlich später sieht. Eine Panne, noch dazu im Dunkeln, wäre definitiv suboptimal.

Die ersten rund 40 km waren gut bekanntes Gelände, die es einfach nur abzuhaken galt. Neuland bzw. selten befahrene Gebiete kamen erst hinter der sächsischen Landesgrenze, d.h. in Brandenburg. Aber da war es schon lange hell. Leider hatte ich mich bei der Tourenplanung auf einen automatisch generierten Routenvorschlag meines neuen Planungstools BRouter verlassen - mit der Option "Rennrad, Original" - und diesen quasi unbesehen übernommen. Nun stellte sich heraus, daß ich einen Großteil der Strecke durch Brandenburg über Bundesstraßen geleitet wurde, das sind nun mal neben den Autobahnen die direktesten Verbindungen. Abgesehen von dem im Tagesverlauf zunehmenden Kraftverkehr, wurde die Fahrt eher psychisch eine Belastungsprobe. Neben der eintönigen Landschaft nervten dabei auch die monotone Straßenführung. Erfreulicherweise blieben die Autofahrer aber mir gegenüber erstaunlich gelassen. Nur ein einziger Zeitgenosse scherte aus der Reihe.

Treffpunkt Weltzeituhr (Aufnahmeort)
Sich durch den Straßendschungel in Berlin zum Zentrum vorzuarbeiten, wurde zur nächsten Herausforderung. Ohne den ins Navi vorab hochgeladenen Track wäre ich völlig aufgeschmissen gewesen. Trotzdem wurde es zeitaufwendig, weil aus unerfindlichen Gründen mein Gerät bei der Anzeige und Navigation sehr häufig hing bzw. den Track nur sehr langsam verarbeitete. Ich weiß nicht, woran das lag: vielleicht an der langen (zu verarbeitenden) Strecke oder an den vielen bereits abgespeicherten Touren. Jedenfalls war ich darüber nicht begeistert.

Am Alexanderplatz angekommen, wünschte ich mich schon bald in meine Provinz zurück. Schon während der Fahrt durch die Hauptstadt, noch mehr aber an diesem zentralen Ort, fühlte ich mich eher unwohl. So viele verschiedene Kulturen! Nicht Touristen, nein hauptsächlich Migranten aus den klassischen Einwanderungsländern. Ihr bevorzugter Lebensraum ist die anonyme Großstadt, dort könne sie ihre eigenen Gesellschaften bilden - ohne erkennbares Interesse, sich zu integrieren. Aber der Staat toleriert ja dieses Verhalten ... nebeneinander existieren statt wünschenswerter Anpassung an die Sitten und ethischen Normen des Gastlandes. Für mich nicht akzeptabel!

Ohne Stadtrundfahrt suchte ich das Weite, sobald ich mir ein paar Kalorien eingeworfen hatte. Ich peilte nun mein "privates" Versorgungsdepot unweit des Flughafens Berlin-Schönefeld an. 17.01 Uhr war ich dort - fast eine Punktlandung - und wurde nach meiner Ankündigung via SMS bereits erwartet. Eine volle 1,5l-Cola-Flasche wechselte in meinen Bestand, darüber hinaus spendierte mir Dagmar und Familie Würstchen mit Senf und Semmel. Etwa 40 min genehmigte ich mir für den Zwischenstop mit Schwatzen und Essen, dann ging es erneut auf die Piste. Immer noch lagen rund 200 km vor, und ich wollte davon in Brandenburg soviel wie möglich bei Tageslicht schaffen. Die Nacht würde trotzdem lang werden. Schließlich holte ich nach 288 km die Beleuchtung aus dem Rucksack.

Je mehr die Zeit voranschritt, umso ruhiger wurde es nun wieder auf den Straßen. Das war insoweit gut, als ich erneut für viele Kilometer auf eine Bundesstraße geriet. In der Dunkelheit war das aber ohne Kraftverkehr wegen des sehr guten Straßenbelags beinahe die optimale Variante, ohnehin gab es von der Landschaft nichts mehr zu sehen. Trotzdem baute ich nun allmählich mehr und mehr ab. Zwar ging es mir körperlich immer noch gut - Schultern, Rücken, Arme leisteten sich keine Schwächen. Doch aufgrund des andauernd überdurchschnittlichen Energieverbrauchs schmolzen die Kraftreserven spürbar. Deshalb mußte ich zusätzlich mehrere Trink- und Freßpausen einlegen - immer nur recht kurz, um nicht "einzurosten".

Als es wieder hell wurde, befand ich mich endlich kurz vor Dresden. Noch ein paar Höhenmeter im Anstieg, dann rollte ich dem Stadtzentrum zu. Für die letzten Kilometer wich ich von der Planung ab und fuhr auf dem Elberadweg nachhause. 7.40 Uhr hatte ich's überstanden. Die Bilanz: 466 Kilometer und knapp 1500 Höhenmeter in insgesamt 29¾ Stunden.

Das schaffen nicht besonders viele Handbiker.

3 Kommentare :

Láďa hat gesagt…

Šílenost... vůbec na takový plán a cíl pomyslet, natož ho uskutečnit! 🙄 Dreams come true! 👍

Gitti hat gesagt…

Da hast du wieder einmal eine Wahnsinnsleistung vollbracht, lieber Veit! Ein bisschen verrückt bist du aber schon, oder??
Aber wie heißt es so schön: Genie und Wahnsinn liegen dicht beinander...
Viele Grüße aus Bayern

Veit hat gesagt…

Šílenost = Wahnsinn: Lád'a hat das auch gesagt. - Da muß also etwas dran sein, wenn meine besten Freunde so etwas sagen ...😉 Aber noch geht's mir gut!