5. Juli 2022

Natur am Limit

Zu Wochenbeginn war ich wieder mit dem Handbike auf Achse. Nach dem entspannten Sonntag kam es mir dabei sehr gelegen, daß es nicht so heiß werden sollte. Am Vormittag zogen sogar ein paar Wolken durch, was das Bergefahren selbst wesentlich angenehmer gestaltete.

Also fuhr ich schließlich bis zum Fußgängergrenzübergang Eulenthor (s. Track vom 04.07., km 27,1), allerdings diesmal seit längerer Zeit mal wieder durch das Bielatal sowie das Tal der Dürren Biela. Diese Piste - heutzutage läuft das unter dem Begriff "Gravel" - ist zuletzt sehr anspruchsvoll (s. Track vom 04.07., km 25,8 - 26,4), da man mit dem Handbike während des steilen Schlußanstiegs auf relativ grobem Schotter nahe an die Traktionsgrenze des Vorderrades kommt. Der Ausblick auf die Felsen entlang des Wegesrands ist dafür umso beeindruckender, zumal hier ebenfalls viele Bäume dem Borkenkäfer und deswegen danach der Säge zum Opfer gefallen sind.

Der zweite Abschnitt hinunter ins Elbtal nach Tetschen (Děčín) und weiter bis Herrnskretschen (Hřensko) lag relativ schnell hinter mir. Dann begann der Aufstieg, der mich in den zentralen Teil der Elbsandstein-Nationalparke auf tschechischer und deutscher Seite brachte. Die Straße nach Rainwiese (Mezní Louka) läßt sich dabei hinsichtlich ihres Charakters und der Steigung immer sehr angenehm fahren. Auch der erste, asphaltierte Teil der Böhmerstraße (Česká silnice) ab Hohenleipa (Vysoká Lípa) bis zum Abzweig des Nassen Grundes (Mokrý důl) ist sehr schön (s. Track vom 04.07., km 65,2 - 68,6), die anschließenden rund 3,5 km auf häßlichem Schotter bis zur Grenze umso weniger.

Trostloser Anblick im Tal der Böhmerstraße
(Aufnahmeort)
Dazu kam, daß hier inzwischen der Charakter der Landschaft ein völlig anderer ist. Auch diesem Teil des Gebirges wurde nämlich der Borkenkäfer zum Verhängnis, nur daß die Verantwortlichen getreu des Nationalpark-Mottos ("Natur Natur sein lassen") meinten, alles würde sich über die Selbstheilungskräfte der Natur regeln. Die Folgen der Kalamität sind nun noch gravierender, weil man letztlich gar nicht umhinkam, doch noch forstwirtschaftlich einzugreifen. Meiner Meinung nach funktioniert ein Nationalpark auf so kleiner und außerdem zergliederter Fläche schon deshalb nicht, weil sich die natürlichen Prozesse gar nicht im erforderlichen Unfang entfalten können. Das einstmals dicht bewaldete und felsige Tal ist nun großflächig kahlgeschlagen und damit ungeschützt der Sonneneinstrahlung ausgesetzt. So machte es auf mich jedenfalls einen trostlosen und verdorrten Eindruck. Baumleichen überall, das einst saftige Grün der moosbewachsenen Felsen verbrannt, und selbst der Waldboden kahl und erosionsanfällig. - Auf den Schlachtfeldern an der Somme und bei Verdun sah es im Ersten Weltkrieg genauso aus.

Irgendwann, so hoffe ich, geht es der geschundenen Natur hier wieder besser - vielleicht auch erst, wenn die entsprechenden Lehren aus diesem Scheitern gezogen wurden. Leider hat in unserer Gesellschaft gegenwärtig das Wunschdenken Vorrang gegenüber dem Realitätssinn, doch wenigstens ich bleibe meinen Grundsätzen treu. Deshalb wählte ich für den Heimweg auch nicht den bequemsten Weg.

Der Kuchen, den ich am Ziel in der Physiotherapie spendiert bekam, schmeckte mir danach noch viel besser.

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