28. April 2013

Nebelwesen

Nach einigen warmen Frühlingstagen kam nachts der Kälteeinbruch mit leichtem Nieselregen. Aber nach diesem Winter kann mich nichts mehr schrecken. Zwar änderte ich meinen ursprünglichen Tourenplan und startete wesentlich später, doch die gewählte Alternative stand sowieso schon länger auf meiner Liste.

Der Anstieg hoch zum Kamm des Osterzgebirges ist am entspanntesten über das Müglitztal zu fahren. Gestern unterstützte mich dabei noch der mäßige Rückenwind. Deshalb störte mich auch der zeitweise Nieselregen herzlich wenig. Eigentlich war die Witterung sogar für die Fahrt wie geschaffen: Temperaturen um 9°C, etwas Wasser und der Wind sind beinahe Wohlfühlbedingungen für die ansonsten in Abschnitten schweißtreibende Kletterei.

Vor Zinnwald tauchte ich schließlich in immer dichteren Nebel ein, der mich bis Peterswald (Petrovice) begleiten sollte. Oben auf dem Kamm des auslaufenden Osterzgebirges war ich dann über weite Strecken ganz allein. Nicht nur, daß der Abschnitt zwischen der I/8 und dem Mückenberg (Komáří hůrka) - s. a. Track, km 50-57 - bei vielen (deutschen) Tourenfahrern weitgehend unbekannt ist, nein, selbst auf der sonst häufig befahrenen Panoramastraße zwischen Böhmisch Zinnwald (Cínovec) und Schönwald (Krásny Les) begegneten mir nur zwei Autos.

Dabei entfaltete die Nebelwelt einen ganz eigenen Zauber. Da waren die Baumgespenster am Wegesrand, die ihre dürren Äste ins Nichts ausstreckten. Oder ein beim Näherkommen immer lauter werdendes klagendes Pfeifen, welches sich etwas später - nachdem die schemenhaften Umrisse allmählich aus dem Nebel auftauchten - als Warnton der Windräder bei Voitsdorf (Fojtovice) erwies.

In so einer Umgebung sind alle Sinne geschärft, und besonders die Ohren horchen tief in den Raum. Gleich kommt hinter dem Strauch eines dieser Fabelwesen hervor, vielleicht ein Bergmännlein oder Rübezahl (den es auch im Erzgebirge gibt) oder der Geist der geheimnisvollen Marcebilla, jener Tochter eines Schloßherren, die nach unglücklicher Liebe zu einem Ritter im Elend starb. Der eigenen Phantasie sind keine Grenzen gesetzt und manchmal sind auch die wabernden Nebelschwaden selbst die Figuren.

Nach dem kleinen Umweg über den Nollendorfer Paß (Nakléřovský průsmyk) rollte ich auf dem leichtesten Weg nach Hause. Zurück vom Ausflug in eine andere Welt.

Track der Handbiketour vom 27.04.2013

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