Nachdem im Elbtal Tauwetter eingesetzt hat, wollte ich nun einen Vorstoß über den Nollendorfer Paß nach Böhmen wagen. Der höchste Punkt liegt zwar nur ca. 700m ü.NN, der Übergang selbst ist jedoch extrem wind- und damit verwehungsanfällig. Obwohl dort also noch tiefster Winter herrscht und ich teilweise nicht von der im Schnee eingefrästen Straße über den Straßenrand hinausschauen konnte, lief dennoch alles prima. Selbst auf den Abschnitten mit festgefahrener Schneedecke hatte ich trotz meiner Slick-Bereifung kein Problem beim Vortrieb.
Dafür nervte mich wieder der Reifen. Dieser Schwalbe Ultremo, den ich derzeit fahre, ist bei weitem das schlechteste Material, welches mir bisher untergekommen ist! Zum -zigsten Mal: Panne am Vorderrad. Mitten in Tschechien habe ich mich dann am Straßenrand vom Rad gehievt, um die notwendige Reparatur zu erledigen. Mittlerweile ist das eine Routineangelegenheit: Rad ausbauen - Schlauch überprüfen - bei kleinen Löchern sofort flicken, sonst Schlauchwechsel - aufpumpen - Rad einbauen - fertig!
Und jetzt kommt etwas, was mich mit einer tiefen Freude erfüllt. Während ich dort an der vielbefahrenen Straße sitze, halten etliche Tschechen an und fragen, ob sie mir helfen können. Einige kommen sogar extra zurück! - Nun, ich habe mich bei ihnen bedankt und gesagt, daß alles in Ordnung ist. Beim Reparieren kann mir sowieso keiner helfen. Als ich aber danach mein Rad einbaute, hielt wieder ein LKW an und ein Fernfahrer kam zu mir. Außerdem noch ein tschechischer Polizist, er war aber wohl nicht im Dienst. Sie haben mir -ohne groß zu fragen - beim Radeinbau geholfen. Denn diese Aktion ist nämlich immer die schwierigste. Einer von ihnen brachte mir dann sogar noch Reinigungsmittel zum Händesaubermachen. Für sie spielte es absolut keine Rolle, daß ich Deutscher bin. In Tetschen habe ich dann noch ein Problem mit dem Vorderrad gehabt. Also wieder das gleiche Spiel. Eine ruhige Ecke suchen, Radausbauen, usw. usf. Ich hatte mich vor der Schiffahrtsverwaltung auf die Treppe gesetzt. Wieder dauerte es nicht lange, dann kam aus dem Gebäude der Pförtner (es war offensichtlich auch am Wochenende besetzt) und bot mir seine Hilfe an. Als ich dankend ablehnte und ihm klargemacht hatte, daß ich nicht zu ihm ins Gebäude könne, weil ich Rollstuhlfahrer sei, ließ er es sich jedoch nicht nehmen, mir für die Dauer der Reparatur eine warme Decke fürsorglich über den Rücken zu legen. So ist das!
Und jetzt sollte mich einer mal fragen, warum ich mutterseelenallein nach Böhmen fahre... Jeder meiner deutschen Freunde ist unerreichbar weg, denn ich kann ihnen gar nicht genau genug erklären, wo ich mich gerade befinde. Auch kann kein Radbegleiter mir im Notfall helfen. Die Antwort dafür findet sich oben! Ich durfte es erleben, nein, für mich ist es quasi der Standard, daß unsere Nachbarn sehr aufgeschlossen und hilfsbereit sind. Auch wenn mein Tschechisch sehr verbesserungswürdig ist, wir haben uns immer verstanden. Ich bin sicher, daß ich nicht im Stich gelassen werden würde, egal, wo ich in Tschechien unterwegs bin.
Es klingt sentimental, aber so etwas wärmt mir das Herz. Das ist meine zweite Heimat.
Tja, Radfahren war dieses Mal eher Nebensache. Nachdem ich von Arbesau (Varvažov) bis nach Tetschen (Děčín) gekommen war, ging es im Elbtal zurück bis kurz hinter Königstein. Dort bin ich dann noch einmal über den Buckel mit Thürmsdorf, Struppen und Krietzschwitz gefahren, bevor es dann ab Neundorf wieder nach Pirna rollte. Ziemlich geschafft, fehlt noch einiges zur Form der vergangenen Sommermonate. Aber die Pannen haben mich ganz schön aus dem Rhythmus gebracht.
21. Februar 2010
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