20. Dezember 2020

Letzte "Pflicht"

Gestern habe ich erreicht, was bisher für mich ins Reich der Sagen und Legenden gehörte: 15.000 km bei knapp 155.000 Hm.

Dabei wollte ich eigentlich auf der letzten "Pflicht"tour ganz brav sein und mich an die - zugegebenermaßen idiotischen - Regeln halten. Aber gestern ergab sich kurzfristig außerdem die Gelegenheit, unterwegs noch etwas abzuholen. Mike wollte mir nämlich seinen Kletterkalender für 2021 geben, von dem noch Restbestände im Lager waren. Genau für diesen hatte ich vor einigen Jahren einen Beitrag verfaßt - um so mehr freute ich mich über das Geschenk. Demnächst werde ich wohl wieder eine Anekdote aus meinem ersten Leben für ihn verfassen. Eine Idee habe ich dazu jedenfalls schon.

Mike wohnt nahe der deutsch-tschechischen Grenze, und weil ich nicht den gleichen Weg zurückfahren wollte, schaute ich wenigstens am Grenzübergang vorbei. Dort war weit und breit niemand zu sehen, so daß ich einfach in meine zweite Heimat wechselte. Im Ort fast keine Menschenseele, nur zwei tschechische Bergsteiger grüßten mich bei Hudy Sport. Auch auf den Straßen herrschte beinahe unwirkliche Stille, doch sicherlich lag das auch am Wetter. Denn während mein tschechischer Kamerad gerade mit dem Rad unter einem strahlend blauen Himmel im Sonnenschein vom Osterzgebirgskamm hinunter in Richtung Dresden rollte, mußte ich bei kräftigem Gegenwind teilweise sogar durch die kalten Wolken fahren, welche schon knapp über dem Elbtal das Gebirge bedeckten. Richtiges Jahresendwetter!

Diesmal nutzte ich die Gelegenheit, um über eine asphaltierte Stichstraße noch ein abseits gelegenes Anwesen zu erkunden. Sonst bin ich nämlich immer an dieser Steilrampe vorbeigefahren. Obwohl von oben wegen des trüben Wetters nicht viel zu sehen war, bereute ich meinen Entschluß nicht. Hier komme ich bestimmt mal wieder vorbei!

An der Grenze
Schließlich bog ich nach Westen ab. Sieben Kilometer waren es auf der kraftfahrzeugfreien Forststraße mitten durch den tschechischen Nationalpark bis zum Fußgängergrenzübergang nach Deutschland, die letzten drei Kilometer davon sehr holperig und langsam über teils groben Schotter. Der selbst zur warmen Jahreszeit nicht überlaufene Rastplatz an der Grenze strahlte bei diesem trüben und kalten Wetter eine stille Melancholie aus, die mich schon den ganzen Tag über begleitete. Was müssen das wohl für Menschen gewesen sein, die hier einst in ein paar Häusern, von denen inzwischen nur wenige Grundmauern übriggeblieben sind, gelebt haben?   

Völlig unerwartet, wurde es nach der Grenze noch einmal richtig spannend. Bereits der erste umgestürzte Baum zwang mich von meinem Handbike. Zwar konnte ich auf die benachbarte Wiese ausweichen, doch ein kurzes Stück mußte ich im Gras mein Handbike hinter mir her einen kleinen Abhang hinaufbugsieren. So hatte ich mir das nicht vorgestellt! Aber alles klappte ganz gut, auch war der Untergrund leidlich "angenehm", d.h. trocken und weich. Als mir kurz darauf allerdings erneut mehrere querliegende Baumleichen den Weg versperrten, entschied ich mich - nicht ganz freiwillig - für die Alternativstrecke aus dem Tal heraus mit zusätzlichen zweihundert Höhenmetern. Dabei war ich mir lange Zeit gar nicht sicher, ob ich hier durchkomme. Die großflächig abgestorbenen Bäume in der Hinteren Sächsischen Schweiz sind inzwischen so morsch, daß jeder kräftige Windstoß sie dort  - wo diese nicht abgesägt wurden - zu Fall bringen kann.

Glücklicherweise lief es gut für mich, und als mir ein Auto der Nationalparkverwaltung entgegenkam, konnte ich endlich aufatmen. Der Heimweg durch Kirnitzsch- und Elbtal hielt mich dann nicht mehr weiter auf, so daß ich trotz des Zeitverlusts bei der vorangegangenen Aktion in Pirna sogar noch den Kirchturm gegenüber meiner Wohnung im letzten Sonnenlicht sah.

Es blieb meine einzige Begegnung mit der Sonne. 

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