9. April 2020

Die Toskana in Sachsen

Normalerweise wäre ich gerade gemeinsam mit meinen tschechischen Freunden zum Radfahren in der Toskana.

Leider ist es in diesem Jahr anders gekommen, und so verbringe ich meine Urlaubswoche nun in der Heimat. Dafür wird Dresden ja gern von der lokalen Tourismusbranche als "Elbflorenz" beworben - ein Marketing-Begriff, so abgedroschen wie größenwahnsinnig. Immerhin erinnert derzeit das sonnige Wetter mit angenehmen Frühlingstemperaturen bis 23°C tatsächlich an den warmen Süden. Und mit etwas Phantasie hat das hügelige Gelände zwischen Elbsandstein- und Osterzgebirge auch ein paar Ähnlichkeiten mit der abwechslungsreichen Landschaft in der Toskana. Wenn ich nicht in die Toskana gelangen kann, kommt die Toskana eben zu mir. - Alles Ansichtssache ...

Am Dienstag hatte ich mir gleich den ersten Kracher vorgenommen. Weil ich mir allerdings nicht sicher war, ob mir die während der vergangenen beiden Touren aufgetretenen Auffälligkeiten im Antrieb Probleme bereiten würden, entschied ich mich für die kürzere Alternative: eine Rundtour um die sächsische Landeshauptstadt, wo ich bei Notwendigkeit an jeder Stelle abkürzen und direkt nachhause zurückkehren konnte.

Wieder lief es wie geschmiert. Selbst etwas steilere Anstiege bereiteten mir keine Probleme, zumal mich dabei die frischen Temperaturen des Morgens angenehm abkühlten. Deshalb genehmigte ich mir auch vor Dippoldiswalde bereits den ersten ungeplanten Umweg. Wie mein zweites Extrazackel kurz vor Nossen etwas länger wurde, war dann jedoch etwas kurios. Eigentlich wollte ich nämlich von Deutschenbora direkt ins Triebischtal in Richtung Meißen abbiegen. Doch am Kreisverkehr ließ ich mich von der Beschilderung in die Irre leiten und fuhr auf der Bundesstraße B101 weiter. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich meinen Fehler bemerkte. Bis ich kurz vor Katzenberg endlich nach rechts zur eigentlich geplanten Strecke abbiegen konnte, kamen noch einmal ca. 150 Hm hinzu. In Meißen waren es damit bereits 1400.

Der Rückweg verlief dann umso entspannter, denn die verbleibenden gemäßigten Anstiege konnte ich beinahe im Sprint fahren. Lediglich das sich nun wieder verstärkende Knacken und Quietschen nervte. Mittlerweile war ich mir beinahe sicher, daß es am linken Kurbelgriff lag.

Normalerweise hätte ich auch den Umweg kurz vor der Zielankunft nicht mehr benötigt, um wieder eine 100-Meilen-Tour abrechnen zu können. Aber mein Kilometerzähler im Fahrradnavi ist sehr konservativ eingestellt, und ich wollte mir meine Garmin-Auszeichnung direkt ohne Streckenkorrektur holen. Außerdem nutzt man bei solchem Wetter gern jede Minute draußen.

Gestern ging es dann gleich wieder auf Tour. Diesmal ins Elbsandsteingebirge, wobei ja aktuell wegen der geschlossenen Grenze leider nur der deutsche Teil zugänglich ist. Das ist natürlich eine drastische Einschränkung, weil die richtig schönen Rundstrecken immer auch die böhmische Seite einbeziehen. Einige der schönsten Fahrradrouten des Gebirges verlaufen nun mal bei unseren Nachbarn. Nach einem knappen Monat seit der Grenzschließung (am 14.03.2020, 0:00 Uhr) machen sich jedenfalls schon die ersten Entzugserscheinungen bei mir bemerkbar.

Bevor ich also mein Gefährt in die Hintere Sächsische Schweiz lenkte, sammelte ich zunächst noch ein paar Höhenmeter. Die erste Klettertour bis zu den Bärensteinen war von den Anforderungen recht moderat, doch auf der Straße von Königstein hinauf zum Kurort Gohrisch mußte ich schon ziemlich Interesse zeigen. Trotzdem lief es auch hier bei meinem zweiten Abstecher überdurchschnittlich gut. So richtig ausbremsen konnten mich nur andere Dinge.

Wegen der radikal abgeholzten Hänge ist nun sogar
die Kleinsteinwand von der Straße aus zu sehen
- ein eher deprimierender Anblick (Aufnahmeort)
Denn leider kam es so, wie es kommen mußte. Nach der flotten Fahrt durch das Kirnitzschtal - hier wurden nach den umfangreichen Forstarbeiten unter Straßensperrung gerade die letzten Aufräumarbeiten erledigt - hatte es sich am Ortseingang von Saupsdorf für mich zunächst ausgekurbelt. Urplötzlich hielt ich den linken Kurbelgriff einzeln in der Hand, heraus kullerten die letzten Kugeln sowie Reste der Ummantelung des kleineren der beiden Kugellager. Das war's also!

Meine kurze Ratlosigkeit wich indes schnell einem verhaltenem Optimismus. Denn wie sich herausstellte, konnte ich beinahe so wie bisher weiterkurbeln. Nur mußte ich die Kurbel etwas behutsamer belasten, um nicht auch noch das zweite Kugellager über'n Jordan zu jagen. Immerhin lagen ja selbst auf der nun umgehend angepaßten verkürzten Route noch rund 50 km sowie wenigstens zwei größere Anstiege vor mir. Da wollte ich mein mir immer noch gnädiges Schicksal nicht unbedingt herausfordern ...

Am Ende fuhr ich zwar etwas verhaltener von Sebnitz nach Bad Schandau ins Elbtal und dann auf dem Elberadweg zurück bis Pirna, kam dafür aber ohne Hilfe zurück. Unterwegs hatte ich schon mit dem Service des Handbike-Herstellers Kontakt aufgenommen, um möglichst schnell eine Ersatzkurbel zu bestellen. Ich bräuchte zwar wahrscheinlich nur neue Kugellager, aber einen Ersatzgriff auch für links auf Vorrat zu haben, kann gewiß nicht schaden ...

Mal sehen, wann die Leute von Schmicking aktiv werden. Gerade habe ich mit der Dame vom Kundendienst telefoniert, dabei aber den Eindruck gewonnen, daß seit gestern noch nicht viel passiert ist. Falls nötig, werde ich Schmicking Tag für Tag virtuell die Hütte einrennen. Ostern dürfte trotzdem hinsichtlich weiterer Handbiketouren für mich gelaufen sein.

So ein Mist!

Handbiketour vom 07.04.2020
Handbiketour vom 08.04.2020

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