20. September 2020

Ein mulmiges Gefühl

Auf diese Überraschung hätte ich gern verzichtet! Als am Mittwoch mein Mechaniker sich nun endlich meinem Handbike widmen durfte, stellte er fest, daß eine Befestigung des rechten Kurbelarms (an)gebrochen war. Mir war das bei der Reinigung gar nicht aufgefallen, doch möglicherweise fahre ich schon etliche Kilometer mit diesem Schaden.

Noch am gleichen Tag habe mit Schmicking Kontakt aufgenommen und Ersatz bestellt. Wie mir der Mann jedoch am anderen Ende der Leitung erklärte, kann die Lieferung trotzdem bis zu vier Wochen dauern. Denn in den von mir benötigten Maßen war kein Kurbelarm vorrätig, so daß dieser zunächst angefertigt und dann galvanisiert werden muß. - Hm ...

Soll ich etwa so lange nicht mehr mit dem Handbike fahren?! Nein, das wollte ich natürlich nicht - zumal bei diesem herrlichen Spätsommerwetter und einer persönlichen Form, die ich als überdurchschnittlich bezeichnen würde! Also entschied ich mich am Freitag für einen ersten vorsichtigen Test, um festzustellen, ob sich beim Fahren irgendetwas verschiebt oder (dort, wo es nicht soll) bewegt. Es stand dafür ja sowieso nur ein halber Tag zur Verfügung, da ich vormittags noch am Telearbeitsplatz zu tun hatte.

Der beschädigte Kurbelarm ...
Zaghaft begann ich, die ersten Kilometer abzuspulen. Immer in Wohnortnähe, damit ich es im Notfall nicht so weit nachhause hätte. Wobei ich in diesem Fall sowieso auf Freunde oder das Taxi angewiesen wäre. Erfreulicherweise beobachtete ich jedoch nichts Bedenkliches, auch der nun keilförmige Spalt zwischen den Enden der Schelle schien sich nicht weiter zu verändern. In dem Maße, wie ich immer mutiger wurde, meine Runde ausdehnte und mir stetig steilere Anstiege vornahm (bei denen es mehr Druck auf die Kurbel gab), entspannte ich mich auch immer mehr. Deshalb verlängerte ich schließlich meine Tour noch bis auf die beinahe obligatorischen 100 km, obwohl ich damit in die Dunkelheit kam. Aber die Beleuchtung gehört ja bei mir mittlerweile wieder zu Standardausrüstung.

Gestern unternahm ich gleich die nächste Testfahrt, um belastbare Werte vor der Rücksprache bei Schmicking zu erhalten. Allerdings habe ich mich dabei ebenfalls in Bezug auf das Streckenpensum zurückgenommen. Doch das paßte ganz gut, denn zur Kaffeetrinkerzeit war ich auf die Geburtstagsfeier meines jüngeren Patenkinds eingeladen. Davor ging es zwar nicht ganz so wild wie am Freitag zur Sache, doch kamen dafür die größten Anstiege erst im letzten Drittel. An solche Gegebenheiten muß man mental ganz anders herangehen.

Auf dem letzten größeren Anstieg - der Wartenbergstraße aus dem Polenztal heraus (s. Track vom 19.9., km 97,3 - 99,8) - überholte mich schon ziemlich weit oben ein größerer Pulk von Radsportlern. Auch eine Frau war dabei, sowie mehrere Begleitfahrzeuge. Nahezu alle grüßten mich beim Überholen, manche sogar mit meinem Namen. Ich war verblüfft, wußte ich doch von keiner Radsportveranstaltung an diesem Tag. Zuhause recherchierte ich gleich: es waren die Heroen der Elbspitze - einer Extrem(langstrecken + Höhenmeter)tour, die üblicherweise von der Elbe mit dem Rennrad nonstop zu einem Alpengipfel bzw. auf einen Alpenpaß führt. Wegen der Corona-Einschränkungen haben die Macher in diesem Jahr nun "nur" eine Sächsische Elbspitze organisiert, allerdings mit nachempfundenen Anforderungen und Streckenprofil.

Für mich ist jeder einzelne Teilnehmer ein wahrer Held! Und das Bemerkenswerteste: Keiner von ihnen war sich zu fein, mich beim Überholen zu grüßen oder mir ein paar Worte zuzuwerfen. - Aber das beobachte ich immer wieder: diejenigen Radsportler, die wirklich über den Dingen stehen (und dazu gehören ganz sicher die Elbspitzler), erkennen vorbehaltlos die Leistungen anderer an, auch wenn diese weit unterhalb ihres eigenen Limits liegen. Die Möchtegern- und Gelegenheitsrennfahrer hingegen, die mich unterwegs (vorzugsweise auf dem Elberadweg) überholen oder mir entgegenkommen und dabei fast in den Rennradlenker beißen, kriegen Grüße nicht hin. Sie sind nämlich viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, und halten sich darüberhinaus vielleicht auch für besonders tolle Sportler. Und deren wackeliges Selbstbild duldet nun mal keinen leistungsstarken Handbiker neben sich. Durch die Flybys von Strava (über welche auf die Sportler, die mir begegnen, verwiesen wird) kann ich das inzwischen ganz gut nachvollziehen ...

Die verfeuerten Kalorien habe ich mir zum Schluß während der Geburtstagsfeier gleich wieder mit leckerem Kuchen und Sahnetorte angefressen. Mein Schwager und sein Bruder erklärten mir bei dieser Gelegenheit aber auch, daß die gebrochene Stelle am Kurbelarm genauso belastbar (vom Fachmann) geschweißt werden könne. Das wäre evtl. noch eine Option für mich, über die es sich nachzudenken lohnt. Mal sehen, wie lange die Ersatzbeschaffung dauert.

Bis dahin heißt es durchhalten.

Track der Handbiketour vom 18.09.2020
Track der Handbiketour vom 19.09.2020

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