19. November 2020

Innere Einkehr

Wieder einmal haben die Herrscher am Rad gedreht, und weitere Einschränkungen im öffentlichen Leben sind die Folge. U.a. wird erneut der Zutritt zu unserem Nachbarland reglementiert, obwohl es für einen findigen Buchstabenfuchser wie mich immer noch Lücken gibt, durch die er schlüpfen kann.

Bevor also möglicherweise die Grenzen wieder komplett verbarrikadiert werden - auszuschließen ist das in diesen kranken Zeiten ja nicht mehr - wollte ich wenigstens noch von einem meiner Lieblingsgebiete im Elbsandsteingebirge Abschied nehmen. Außerdem hatte ich für einen Arbeitskollegen ein Mitbringsel, welches er zum Treffen irgendwo unterwegs auf der Strecke erhalten sollte.

Schon am Morgen war es recht mild, dafür aber naß. Bis Mittag hielt sich die angekündigte Sonne hinter dichter Bewölkung vornehm zurück. Bei meinem südlichen Zacken bis Raum konnte ich von dort sogar das eindrucksvolle Schauspiel beobachten, wie die Wolkenbänke gegen den Hohen Schneeberg (Děčínský Sněžník) drückten und den langgestreckten Tafelberg halb überfluteten. Der Vergleich mit Meeresbrandung paßte dabei wirklich sehr gut.

Auch im sonst an freien Tagen stark befahrenen Kirnitzschtal war es gegen 8.30 Uhr immer noch sehr einsam. Das trübe Wetter schien nicht sehr viele Leute ins Gebirge zu locken. Ich jedoch genoß die Fahrt, denn so blieb Zeit zum Träumen. Noch stiller wurde es, nachdem ich in Hinterhermsdorf die öffentlichen Straßen verlassen hatte. Umso überraschter war ich allerdings über das Auto mit dem älteren Herrn, welches mir kurz hinterm Fußgängergrenzübergang Hinterdaubitz (Zadní Doubice) auf dem Forstweg entgegenkam. Ob der sich verfahren hatte?

Zum Buß- und Bettag das Kreuz
in Hemmehübel.
Die (deutsche) Inschrift lautet:
Der größten Liebe / theures Zeichen
ist dieses Kreuz / für Dich o Christ.
Du wirst von Recht / und Pflicht nicht
weichen, wenn Du ein / Freund
des Kreuzes bist.
(Aufnahmeort)
Das blieb jedoch meine einzige Begegnung auf dem Weg nach Hemmehübel (Kopec). Die Radtrasse 3032 (s. Track vom 18.11., km 57,0 - 60,1) war mir noch als ziemlich grobschotterige und schlecht zu befahrene Piste in Erinnerung, doch diesmal rollte es darauf recht gut. Stetig sacht ansteigend, regte dieses abgeschiedene romantische Tal geradezu an, die eigenen Gedanken schweifen zu lassen. Mehrere Bildstöcke säumten den Weg - es ist mir immer wieder eine Freude, wie die heutigen Bewohner diese Zeugen der Vergangenheit pflegen. Denn dabei habe ich den Eindruck, daß dies nicht nur auf staatliche Initiative bzw. öffentlicher Finanzierung beruht, sondern daß tatsächlich die Tschechen selbst privat auf eigene Kosten aktiv werden. Das ist doch ein schönes Zeichen: Versöhnung mit der Vergangenheit, Freundschaft im Jetzt und Zusammenleben in der Zukunft!

Gerade wollte ich mich darüber freuen, bereits so zeitig wieder auf dem Rückweg zu sein, da ging meinem Vorderrad die Luft aus. Wie sich bei der Ursachensuche herausstellte, waren daran einmal mehr eingefahrene Glassplitter schuld, die sich nun durch den Pannenschutz gearbeitet hatten. Ich sollte wirklich nach jeder heiklen Passage durch Glasbruch meine Reifen kontrollieren! Während des Schlauchwechsels abseits der Straße hielt etwas später ein tschechisches Polizeiauto neben mir, und die Beamten fragten mich, ob ich Hilfe bräuchte. Sehr nett!  Auch mein Kollege erwischte mich noch dort, nach einem kurzen Schwatz konnte es aber endlich für mich weitergehen.

Die letzte Schotterpiste - das Stück von Lobendau (Lobendava) zum Fußgängergrenzübergang Langburkersdorf - fuhr ich diesmal besonders behutsam, dann waren alle Offroad-Abschnitte geschafft. Auf der deutschen Seite stand kurz hinter der Grenze die Bundespolizei mit einem Auto, vielleicht, um die Ein-/Ausreisebeschränkungen in die Tschechische Republik zu kontrollieren. Mich ließ man jedoch unbehelligt weiterfahren, ein weiteres Indiz dafür, daß ich mich mit meinem Ausflug an das geltende Recht gehalten habe.

Auf der deutschen Seite begrüßte mich auch endlich die Sonne. Darum verwarf ich meine ursprüngliche Planung und hängte noch zwanzig zusätzliche Kilometer an die Tour. Aufgrund des dichten Straßennetzes ist es nämlich kein Problem, sich spontan - je nach Ansprüchen an Untergrund und Höhenprofil - die Wunschroute zusammenzustellen. Vorausgesetzt natürlich, man kennt sich einigermaßen in der Gegend aus. Bei meinem bisher hier absolvierten Kilometerpensum ist das aber kein Thema.

Noch weniger als 200 km bis zur nächsten Schallmauer ...

Track der Handbiketour vom 18.11.2020

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