9. August 2021

Der Polizist, mein Freund

Ein letztes Mal habe ich mein Basislager gewechselt, der Campingplatz im Valle Maira unweit von Ponte Marmora ist nun der Ausgangspunkt für meine Touren. Von barrierefreier Ausstattung kann hier zwar nicht die Rede sein, doch die angeblich behindertengerechte sanitäre Einrichtung des ursprünglich vorgesehenen Standorts Lou Dahu in Marmora war auch nicht viel besser. Überdies habe ich mich dort beim deutschen Betreiber so unwillkommen gefühlt, wie noch nie während der vielen Jahre meiner Pässejagd.

Bald nur noch eine Erinnerung: die Fahrt
durch die wildromanische Elvaschlucht
(Aufnahmeort)
Meine Bleibe im Tal war dafür der ideale Startort für meine hier geplanten Touren. Gleich am Sonnabend stand der Colle di Sampeyre (2284 m) auf der Tagesordnung, doch zu Beginn gab es einen Moment der Unsicherheit. Die Straße durch die Elvaschlucht, die ich eigentlich fahren wollte, war nämlich bereits seit 2018 gesperrt. Weil aber Fahrspuren von Autos um die Betonbarrieren führten, ignorierte auch ich dieses Verbot und ließ die Sperre hinter mich. Das war die beste Entscheidung des Urlaubs, denn unmittelbar darauf erwartete mich eine spektakuläre Umgebung. Die inzwischen stark beschädigte, nur noch einspurig befahrbare Straße, durch Steinschlag voller Geröll und mit häufigen Trümmerhaufen kleinerer Felsstürze an der Seite sowie einem oft zerstörten Geländer bot nicht zuletzt wegen der zahlreichen Naturtunnels genau das Abenteuer, welches alle Mühen des steilen Anstiegs vergessen machte. Grandios!

Nach dem ca. 6 km langen gesperrten Abschnitt waren immer noch sehr viele Höhenmeter und etliche Kilometer zu bewältigen, doch zehrte ich dabei bereits von diesem unvergeßlichen Erlebnis. Zum Paß hin wurde es allmählich flacher, dennoch war ich froh, als ich ihn endlich erreichte.

Nette Begegnung am Colle di Sampeyre
(Aufnahmeort)
Dort erwartete mich die nächste Überraschung. Nach dem obligatorischen Paßbild sprach mich nämlich ein Carabineri an, der dort auf seinen Kollegen wartete. Wie sich herausstellte, war er Mitglied des italienischen Para-Teams für Ski nordisch und hatte mich daher auch sofort als (gleichgesinnten) Sportler mit Handicap erkannt. (Welcher Art seine Beeinträchtigung war, konnte ich allerdings nicht äußerlich feststellen.) Wir verstanden uns auf Anhieb prima! Es gab einiges zu erzählen, sodaß selbstverständlich auch ein Erinnerungsfoto hermußte. - Eine von diesen Begegnungen, die für mich das Salz in der Suppe eines erlebnisreichen Urlaubs sind und die ich immer mal wieder erleben darf!

Die Abfahrt auf der schadhaften Straße wurde erneut zur Materialprobe und bereitete mir - abgesehen von den großartigen Ausblicken in die Umgebung und ins Tal - wenig Freude. In diesem vergessenen (und daher infrastrukturell vielleicht vernachlässigten)  Winkel von Italien geht es eben in allen Belangen wesentlich rustikaler zu.

Ein Tag später, also am Sonntag, wollte ich den Colle del Preit (2083 m) erklimmen. Der Anstieg aus dem Mairatal über Marmora ist zwar nur 15 km lang, dafür sind auf dieser Strecke fast 1200 Hm zu überwinden. Am Schluß der Auffahrt lauerte gemäß der Infos von Quaeldich.de außerdem eine 15%-Rampe.

Aber auch davor gab es wenig Gelegenheit zur Entspannung. Bereits kurz nach Canosio zwangen mich einige Steilstücke zum Stop & Go. Als ich endlich Preit, das letzte Dorf im Tal erreichte, fand dort gerade eine kleine Prozession - wahrscheinlich zu Ehren des Ortspatrons - statt. Dieses archaische Ritual und die Teilnehmer in ihrer altertümlicher Kleidung berührten mich tief.

Der Kampf um den den Berg holte mich jedoch bald in die Gegenwart zurück. Es wurde noch eine ordentliche Schinderei, aber ohne Mühe wäre es sonst kein echter Sieg gewesen! Leider war ich am Ende der Asphaltstraße zwar auf dem ausgewiesenen Colle del Preit, doch führten von dort fast überall Schotterwege noch weiter hinauf. Insofern hatte ich eher einen ähnlichen Eindruck wie beim Col du Petit Mont Cenis - nämlich, daß dieser Scheitelpunkt gar kein "richtiger" Paß ist. Wahrscheinlich deswegen begegneten mir auch keine Rennradler, sondern nur Mountainbiker sowie die sich seuchenhaft ausbreitenden Mofafahrer. (Noch vor wenigen Jahren, als es "E-Bikes" noch nicht gab, wäre ich hier nahezu allein unterwegs gewesen.)

Der Rückweg zum Campingplatz dauerte dann nur einen Bruchteil der Zeit für die Anfahrt. Mein Nachmittag war trotzdem verplant, für die Körperhygiene.

Lästig, doch unumgänglich.

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