28. Juli 2023

Vielfalt durch Abwechslung

Bereits zum vierten Mal diente mir das TCS Camping in Martigny als Basislager für meine Touren im Unterwallis. Nicht zuletzt deshalb, weil hier die Sanitäreinrichtung und Ausstattung so gut ist, um als Rollifahrer auch ganz komfortabel allein klarzukommen.

Die nächsten Touren waren mit meinem Schweizer Sportfreund geplant. Doch zunächst sah es ziemlich mau aus, denn der Tag, an dem ich - von Aigle kommend - hier eintraf, sowie die folgende Nacht waren ziemlich feucht. Zum Starkregen gesellten sich dabei über mehrere Stunden sogar Blitz und Donner. Logisch, daß ich da zunächst nicht an eine Tour dachte, sondern mich auf Abwarten einstellte. Rudy verschob jedenfalls auch gleich seine Ankunft um 24 Stunden.

Doch am 25.07. sah es dann am Himmel gar nicht so schlecht aus. Zwar zeigte das Regenradar immer wieder durchziehende Schauer an, aber mit etwas Mut zur Lücke konnte ich trotzdem eine Ausfahrt wagen. Nur Paßfahrten hatte ich für diesen Tag gestrichen, zumal ich die zwei geplanten Touren nicht allein fahren wollte. Außerdem gab es bei Notwendigkeit im dichtbesiedelten Rhonetal sicher eher die Möglichkeit, sich bei Regen unterzustellen. So wählte ich mir als Ziel den Genfer See und für große Teile des Hin- und Rückwegs den Rhoneradweg. Vom See habe ich an diesem Tag allerdings bis auf ein paar Wellen an der Mündung der Rhone nichts gesehen - ich denke, es gibt wesentlich lohnendere Ziele an diesem Gewässer, als dieser von einer Flußkiesabbaufirma genutzte Uferbereich. Auf dem Rückweg kam mir schließlich mein Sportfreund auf seinem Handbike entgegen, wobei wir wegen eines längeren Schauers erst einmal im jeweils eigenen Unterschlupf aufeinander warten mußten.

Dafür brauchte Rudy am nächsten Tag aber auch nicht mehr erst anreisen, weshalb wir verhältnismäßig zeitig starten konnten. An diesem Mittwoch stand daher die konditionell anspruchsvollste Tour auf dem Programm. Nach der Bewältigung des Col de la Forclaz sollte es außerdem noch zum Col de la Gueulaz bzw. Lac d'Emosson gehen.

Blick zum Lac d'Emosson mit seiner Staumauer (Aufnahmeort)
Der erste Paß stellte mich vor keine ernsthaften körperlichen Herausforderungen, ich kannte ihn ja bereits von meiner Mont-Blanc-Umrundung im Jahr 2018. Für Rudy war es der erste Paß nach längerer Pause, und dementsprechend mußte er sich erst wieder einfahren. Als er mich auf dem Scheitelpunkt erreichte, monierte er, daß die Strecke ziemlich langweilig wäre. Nun, ich habe schon wesentlich nervtötendere Paßstraßen befahren ... Die Kletterei zum zweiten Höhepunkt des Tages machte mir danach deutlich mehr Schwierigkeiten. Auf den letzten Kilometern steilte die Straße bis auf über 12% (Durchschnittssteigung) auf, wie die aufgestellten Kilometerschilder für Radsportler ankündigten. Beide Pässe standen übrigens auch schon bei der Tour de France auf dem Programm. Ich konnte mich am Ende hier nur noch hochruhen und war heilfroh, als endlich das Paßschild vor mir auftauchte. - Ich glaube, ich war schon mal in besserer körperlicher Verfassung ...

Der Rückweg wurde noch einmal richtig abenteuerlich. Beim Quellenstudium hatte ich ja bereits erfahren, daß die Abfahrt von Finhaut durch das Tal des Trient nach Le Trétien (s. Track vom 26.07., km 43,1 - 46,1) eher Trailcharakter hat und zudem einige enge Serpentinen bewältigt werden müssen. Nur da wir zu zweit waren, wagten wir uns in dieses für uns noch unbekannte Gelände. Bald schon ging es so steil bergab, daß wir nicht mehr ohne Hilfe allein wieder hätten zurückkehren können. Erfreulicherweise kamen uns aber auch Mountainbiker entgegen. Bei einer der ersten engen Kehren hatte ich nämlich den engen Kurvenradius unterschätzt, wobei es aufgrund der abschüssigen Strecke schwierig war, zurückzusetzen. "Zufällig" erschien ein junger Mann und erleichterte mir durch seine Hilfe, aus dieser mißlichen Situation herauszukommen. Rudys Handbike war offensichtlich wendiger (engerer Wendekreis möglich). Er kam überall gut durch, und ich paßte nunmehr umso besser auf. Wir beide aber atmeten erleichtert auf, als wir den Beginn der Aphaltstraße im nächsten Ort erreichten. Trotzdem: es war eine tolle Aktion und unbedingt den Nervenkitzel wert! Die anschließende lange Abfahrt nach Martigny mit den großartigen Ausblicken ins Rhonetal kenne ich hier von vielen Paßbefahrungen. Es ist immer so, als würde man gerade während der Landung im Flugzeug sitzen. In umgekehrter Richtung gilt das übrigens genauso, dann hebt man gerade im Flugzeug ab.

Auf der Fahrt zum Lac de Derborence (Aufnahmeort)
Der absolute Knüller wurde unsere zweite gemeinsame Ausfahrt. Diesmal wollten wir zum Lac de Derborence, und in diesem Fall war vor allem der Weg dorthin das Ziel. Meine Recherchen auf Quaeldich.de ließ uns ein interessante Strecke erwarten, und wir wurden wirklich nicht enttäuscht! Erwies sich der untere Teil durch die Weinfelder wie gewohnt aussichts- und abwechslungsreich, so stellte nach dem ersten steilen Teil des Aufstiegs die ca. 300 m lange Galerie von gehauenen Naturtunneln  (s. Track vom 27.07., km 37,0 - 37,3) nahezu alles in den Schatten, was ich während meiner langen Karriere als Tourenhandbiker bisher erlebt hatte. Nicht nur mein Begleiter kriegte sich vor Begeisterung über das Spektakel gar nicht wieder ein, welches der Anblick und die Befahrung uns boten. Vor allem dieser Abschnitt kann locker mit den großartigen Straßen in Südfrankreich mithalten, ein bißchen Südfrankreich-Flair gab's obendrein gratis dazu!

Als es an die letzten zweihundert Höhenmeter zum End-/Umkehrpunkt unserer Tour zum See ging, setzte mir die Sonne, welche inzwischen endgültig über die Wolken gesiegt hatte, ganz schön zu. Unbemerkt von mir erreichte Rudy ebenfalls bald den höchsten Punkt, sodaß es kein gemeinsames "Paßbild" gibt. Dafür unternahmen wir zu Beginn der Abfahrt noch einen kurzen Abstecher nach Godet, wo diesmal ein kleines Flüßchen durch einen künstlich aufgeschütteten Damm zu einem See aufgestaut worden ist. (Der Lac de Derborence entstand hingegen durch einen natürlichen Hangrutsch / Felssturz.) Von etwas oberhalb bot sich uns noch einmal ein schöner Blick in Richtung des Derborence-Felskessels sowie zum Rhonetal mit den darüber thronenden Eisriesen.

Nach der langen Abfahrt mit einem kurzen Verhauer in den Weinbergen rollten wir schließlich entspannt auf dem Rhoneradweg zurück nach Martigny. Bei den vielen Pausen war es spät geworden, doch hatten wir einen tollen Tag.

Die Leidenschaft für's Pässefahren ist bei meinem Sportfreund Rudy neu entfacht!

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