Dabei gestaltete sich meine Fahrt und die Wahl des neuen Basislagers durchaus nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Beim Autotransfer über den Großen St. Bernhard präsentierten sich vor allem die frankophonen Schweizer nämlich als echte Rüpel. Was ich dort erlebt habe, obwohl ich mich an die geltenden Verkehrsregeln hielt, (Höchstgeschwindigkeit - die ich aber auch nicht unterschritt, durchgehende Mittellinie), ist mir bisher noch nicht einmal in Deutschland passiert. Drängeln, Lichthupe, Hupkonzert, gefährliche Überholmanöver - dagegen war das fehlende Blinken beim Spurwechsel vernachlässigbar. Mindestens drei oder vier dieser Idioten müßte man eigentlich dauerhaft aus dem Verkehr ziehen!
In Ceresole Reale lebte das Ungemach erneut auf. Der Besitzer des von mir geplanten Campingplatzes winkte nur ab, ohne Reservierung sei keine Unterkunft möglich. Nicht mal nur mit dem Auto. Am nächsten Tag fand nämlich der "Royal Ultra Sky Marathon Gran Paradiso" statt, und alle Plätze seien deswegen bereits mit Teilnehmern und Gästen belegt. So begann meine Odyssee durch den Ort, um vielleicht doch noch eine passende Bleibe zu finden. Schon freundete ich mich mit einer Parkplatzübernachtung an, da hatte ich im letzten Versuch Glück. Im Camping Villa war die Chefin so davon beeindruckt, daß ich als Rollifahrer ganz allein unterwegs war und auf den Paß fahren wollte, daß ich nicht nur den begehrten Stellplatz für mein Auto bekam, sondern sie mir extra das bessere Rolli-WC zur ausschließlichen Verfügung stellte. Außerdem konnte ich nahe des Auto eine prima Unterstellmöglichkeit für mein Handbike nutzen. Der Tag war gerettet.
Abends zog es sich im Tal zu, und die Nacht wurde ziemlich feucht. Allerdings ließ ich mich davon nicht aus der Ruhe bringen, weil nach wie vor für den nächsten Tag schönes Wetter angekündigt war. So kam es auch.
Kurz nach Sieben fuhr ich los. Man muß dazu anmerken, daß die Beschreibung der Auffahrt auf den Nivolet bei Quaeldich.de in Cuorgne - also rund 30 km früher - beginnt. Dort gab es jedoch erst recht kein geeignetes Quartier für mich, sodaß ich mich zwangsläufig für einen räumlich näher am Paß gelegenen Startpunkt entscheiden mußte. Statt mehr als 2000 Hm erwarteten mich nun etwa 1000, und auch die Streckenlänge halbierte sich. Ein bißchen schlechtes Gewissen hatte ich wegen der mir nun erspart bleibenden langen 15%-Rampen vor Ceresole, doch es ging sinnvoll nicht anders.
Ein Fest für Radsportler! (Aufnahmeort) |
Unterwegs überholte mich das Presseteam der Marathonveranstaltung. Sie waren ganz offensichtlich ebenfalls begeistert von meinem Tun und machten von mir nach Anfrage etliche Bilder in den Serpentinen. Vielleicht bekomme ich ja ein paar Aufnahmen von ihnen per e-Mail zugeschickt, ich habe ihnen jedenfalls meine Kontaktdaten hinterlassen. Von Profis dürfte ich hinsichtlich spektakulärer Motive einiges erwarten ...
Noch vor 11.00 Uhr erreichte ich bei herrlichstem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen den Scheitelpunkt, zur richtigen Zeit am genau richtigen Ort. In solchen Momenten bin ich einfach nur glücklich. Anschließend fuhr ich noch weiter bis zum Ende des Asphalts auf der anderen Paßseite. Die knapp 100 Meter Höhenverlust, die ich auf dem Rückweg dann wieder erst hochklettern mußte, lohnten sich, denn kurz vor dem Umkehrpunkt tauchte dabei ein Eisriese hinter den nahen Bergkämmen auf. Vielleicht war es tatsächlich der Gran Paradiso? In dessen Nationalpark befand ich mich aber auf jeden Fall.
Der Rückweg auf der gleichen Strecke machte danach mindestens genauso Spaß, gleichwohl ich bei den zwei größeren Gegenanstiegen über 80 bzw. 40 Hm mich etwas schwerer tat. Aber mental ganz auf Abfahrt geeicht, war das völlig normal. Nach meiner Ankunft am Camping drehte ich gleich noch eine Extraschleife rund um den Lago di Ceresole, die ebenfalls noch etliche schöne Ausblicke auf den Zusatzkilometern bereithielt. 14.00 Uhr rollte ich im Basislager ein, begeistert begrüßt von meinen Nachbar-Campern und der Zeltplatz-Chefin. Diese Herzlichkeit war gewiß nicht gestellt!
Mein Fazit: Der Colle del Nivolet sollte in keiner gepflegten Sammlung eines Radsport-Alpenpässejägers fehlen! Für die Tour auf diesen etwas isoliert liegenden Paß hat sich für mich die lange Anfahrt unbedingt gelohnt!
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