7. September 2021

Viel Meer

Die ersten Tage meines Urlaubs in Ostfriesland liegen hinter mir, und natürlich war ich hier inzwischen mit dem Handbike auf Achse.

Doch zuerst habe ich am Tag meiner Ankunft, den Sonnabend, meine neue Heimat auf Zeit mit dem Rollstuhl erkundet. Das schöne alte Ortszentrum von Carolinensiel rund um den alten Sielhafen war genau so, wie man es sich klischeehaft vorstellen würde. Backsteinhäuser, Wasser, alte Schiffe. Gleich am Hafen steht auch eines der Nationalparkhäuser des Nationalparks Wattenmeer, welchem ich sofort einen Besuch abgestattet habe. Eine kleine, aber feine Ausstellung im Obergeschoß der ehemaligen Pastorei, welche über einen Aufzug barrierefrei erreicht werden kann.

Das erste Mal an der Nordsee! (Aufnahmeort)
Am Sonntag sollte es dann mit dem Handbike nach Emden gehen. Inkl. des Rückwegs kamen dabei ein ganzes paar Kilometer zusammen, sodaß ich wieder früh kurz vor Sonnenaufgang gestartet bin. Die Sonne über dem Watt aufgehen zu sehen, hatte schon 'was. Eine schöne Einstimmung für den Tag. Später fuhr ich dann zum ersten Mal direkt am Meer auf dem Strandradweg, dessen Asphaltband hier allerdings vermutlich auch dem Schutz des Deiches dient. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich merkte, daß der untere Teil davon etwas weniger seitwärts abschüssig ist und sich deshalb für mich auf drei Rädern besser fahren ließ. Bei dieser Tour war dies der einzige Teilabschnitt am Wasser, auch wenn ich mich auf der Hinfahrt immer recht nahe der Küste bewegte.

Dafür kam ich viel schneller voran, als in den Bergen. Am Ende meiner Ausfahrt standen nach 163 km spektakuläre 136 Hm auf meinem Fahrradcomputer - ein Wert, für den ich vor wenigen Wochen während meines Urlaubs in den Alpen oft keine 2 km Strecke benötigt hatte. Allerdings sollte man die Anforderungen an solch eine flache Tour nicht unterschätzen. Im Gegensatz zum bergigen Gelände gibt es hier nämlich keine Ruhepausen beim Kurbeln auf Abfahrten.

Eine typisch ostfriesische Sportart habe ich während meines Wochenendsausflugs auch gleich kennengelernt. Mitten auf einer durchschnittlich stark befahrenen Landstraße spielten Männer aus zwei unterschiedlichen Mannschaften (das war an den Trainingsanzügen erkennbar) Ball, und für die einheimischen Autofahrer schien das völlig normal zu sein. Als mir zum zweiten Mal eine solche Truppe begegnete, fragte ich einfach nach. Das Bosseln (bei Wikipedia Boßeln) ist ein sehr beliebter Zeitvertreib in Ostfriesland und wird sogar auch als Leistungssport betrieben. Ich war begeistert.

Auf meiner ersten Handbiketour im Nordwesten konnte ich leider noch nicht so oft und lange das Wattenmeer sehen, doch das sollte sich gestern ändern. Zwar hatte ich zuhause bereits eine Tour geplant, dann jedoch den Ausflug nach Wilhelmshaven mithilfe des Knotenpunktsystems für Ostfriesland zusammengestellt. Dieses führt die Radfahrer über kraftverkehrsfreie bzw. ruhige Nebenstraßen und Radtrassen durch das Land. In Harlesiel stand ich zu Beginn jedoch erstmal vor einem mit einer Tür verschlossenen Viehgatter, welches ich nicht selbst öffnen und schließen konnte. Ich war bedient! Erst einige Kilometer später wagte ich einen neuen Anlauf auf der Knotenpunkttrasse - und siehe da, jetzt rollte es! Inzwischen wurden nämlich oft die "Falltüren" der Zäune durch enge Umfahrungen mit Weiderosten (wie ich sie aus den Alpen bereits kenne) ersetzt. Hier mußte ich zwar trotzdem manchmal etwas manövrieren, kam aber ohne Hilfe durch.

Wo sich Himmel und Erde begegnen ... (Aufnahmeort)
Endlich begleitete mich auch zur Linken für viele Kilometer das Meer. Der Faszination dieser Welt zwischen Himmel und Erde konnte ich mich nicht entziehen, auch deshalb, weil die Sonne das Wasser silbrig glitzern ließ.

Vor und in Wilhelmshaven mußte ich dann ziemlich zickzack fahren, denn ein Teil des Radweges und auch die Jachmannbrücke war gesperrt. So bekam ich vom Stadtzentrum relativ wenig mit, konnte aber immerhin durch die Bäume einige im Marinearsenal liegende Kriegsschiffe erahnen. Am Südstrand flanierte ich mit dem Rad noch durch die Fußgängerzone und fuhr an den Museumsschiffen des Marinemuseums vorbei, bevor ich die Stadt wieder verließ.

Etwas später begann das etwas mühsame Zickelzackel erneut und begleitete mich nun fast bis zum Ende der Tour. Erst war es eine Großbaustelle (s. Track vom 06.09., km 73), dann jedoch führte mich das Knotenpunktsystem zwar auf verkehrsfreien, doch eben auch verschlungenen Pfaden (manchmal im wortwörtlichen Sinne) sowie holperigen zerfahrenen Betonstein- oder auch Schotterpisten durch das ostfriesische Hinterland. Das kostete mich nicht nur Zeit, sondern auch Nerven.

Um etliches später als geplant erreichte ich endlich mein Quartier - doch immer noch zeitig genug, um mich für das Treffen mit Joke vom Wattwanderzentrum Ostfriesland frisch zu machen. Es wurde schließlich ein entspannter und sehr informativer Tagesausklang im Gulfhof Friedrichsgroden - bei einem Mann mit vielen Plänen, der so gar nicht meiner Vorstellung eines (introvertierten und wortkargen) Nordländers entsprach.

Solche Macher braucht das Land!

Track der Handbiketour vom 05.09.2021
Track der Handbiketour vom 06.09.2021

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