Damit konnte ich auch ohne einen Langen Kanten gut den Jeschken (Ještěd) erreichen, den mit 1012 m NHN höchsten Gipfel im kleinen gleichnamigen Gebirge und schon allein durch seine Höhe sowie dem architekturpreisgekrönten Fernsehturm mit Hotel die unbestrittene Dominante des Gebiets. Aufgrund der hohen konditionellen Anforderungen nahm ich mir die Befahrung allerdings gleich am ersten Tag vor.
Am Pfingstsonntag begab ich mich also schon sehr zeitig in die Spur. Trotz der "nur" 131 km war es mir lieber, über Zeitreserverven zu verfügen, da es nachmitttags in der Zielregion gewittern sollte. Schon am Morgen herrschte eine hohe Luftfeuchte, die mir selbst bei angenehm kühlen Temperaturen den Schweiß aus den Poren trieb. Dennoch rollte es ganz gut.
Das Tal der Kamnitz (Kamenice) ab Böhmisch Kamnitz (Česká Kamenice) war dabei das wohl schönste Teilstück auf der Anfahrt (s. Track vom 19.05., km 47,1 - 55,0). Auf neuem Straßenbelag ließ es sich hier herrlich entspannt vorwärtskommen.
Das ist auf tschechischen Landstraßen inzwischen leider keine Selbstverständlichkeit mehr. Gerade auch gestern und vorgestern mußte ich mich bei etlichen Nebenstrecken viele Kilometer auf Schlaglochpisten abmühen und konnte dabei vor allem bergab bei weitem nicht mit dem Tempo fahren, welches eigentlich möglich gewesen wäre. Die Zeiten, in den die Straßen in unserem Nachbarland immer wesentlich besser als in der DDR waren, scheinen der Vergangenheit anzugehören.
Kurz vor Beginn des Gipfelsturms auf den Jeschken zwangen mich dunkle Regenwolken, Zuflucht in einem Buswartehäuschen zu suchen. Dabei verlor ich eine halbe Stunde - doch blieb ich trocken. 14.45 Uhr hatte ich endlich den höchsten Punkt erreicht, obwohl ich mich diesmal abschnittsweise recht schwer tat. Die 360°-Aussicht vom Gipfel war grandios - angesichts der feuchten Luft und etlicher Regen- / Gewitterzellen im Umland wirklich erstaunlich.
Auf dem Weiterweg mußte ich noch so manchen Kampf mit mir ausfechten, weil ich davon ausgegangen war, daß nun keine längeren Anstiege mehr kommen würden. Zwar rollte es zunächst viele Kilometer bergab, doch gerade die "leichten" Gegenanstiege, die nun folgten, setzten mir ziemlich zu. Immerhin steckten bereits knapp 1800 Hm in den Armen. Und als ich mich endlich mental auf die Zielankunft einstellte, kam von meiner Sportfreundin dann die Nachricht über's Handy, daß noch weitere 250 Hm auf 7 km bis zum Übernachtungsplatz vor mir lagen. Ich war "begeistert", doch konnte ich Christiane deswegen nicht böse sein. Erstens war es nicht ihre Idee, und zweitens standen die Autos dort wirklich an einem schönen und ruhigen Platz abseits des Touristentrubels.
Noch im Handbike, bekam ich nach meiner Ankunft auch gleich etwas Warmes zu essen, rechtzeitig vor dem nächsten heftigen Schauer. - An diesem (inzwischen schon fortgeschrittenen) Abend wurde ich nicht mehr alt.
Nach der ersten Mütze Schlaf der Erschöpfung begann es für mich in meinem Schlafsack bald, ungemütlich zu werden. Während meine zwei Nachbarn auf ihrem Lager im Kleinbus gern mit offener Seitentür übernachten, brauche ich dafür meist ein warmes Mikroklima. Aber so ist Christiane: sie bemerkte, daß ich fror, gab mir daraufhin ihren Schlafsack als Decke und kroch zu ihrem Mann ins Warme. - Einfach nur lieb ... und die Nacht war gerettet!
In den Sandstein gemeißelte Gedächtniskapelle für Jan Hus nahe Klokotsch (Klokočí, Aufnahmeort) |
Erst 9.15 Uhr brach ich schließlich zur Rückfahrt auf. Mit dem gestrigen Tempo wäre ich demnach erst im Dunkeln zuhause angekommen, doch wohlweislich hatte ich für diesen zweiten Tag eine wesentlich flachere Streckenvariante gewählt. Auf den ersten 40 km ging es zwar erneut ordentlich rauf und runter, weil ich dabei mehrere Täler queren mußte. Dann jedoch rollte es bis zum Elbtal meist bergab, und ein paar kleinere Gegenanstiege warfen mich nicht mehr aus der Bahn. Erkaufen mußte ich mir das flache Profil aber auch mit der Fahrt auf der schnellstraßenartig ausgebauten Strecke zwischen Niemes (Mimoň) und Böhmisch Leipa (Česká Lípa). Da der Pfingstmontag in der Tschechischen Republik kein Feiertag ist, herrschte dort Hochbetrieb. Allerdings sind die tschechischen Autofahrer tatsächlich wesentlich toleranter gegenüber solchen Verrückten wie mir, und natürlich kam ich ihnen ebenfalls bzgl. meines Fahrverhaltens entgegen.
Landschaftlicher Höhepunkt der Heimfahrt war eindeutig die Strecke durch das große Areal südlich des Rollbergs (Ralsko) welches in sozialistischen Zeiten zu einem riesigen Truppenübungsplatz der sowjetischen Streitkräfte, vielleicht außerdem auch der Tschechen, gehörte (s. Track vom 20.05., 32,2 - 50,7). Heutzutage bis auf eine Ortschaft unbesiedelt (es gab dort an der Strecke auch noch Ruinen eines anderen ehemaligen Ortes: Schwabitz / Svébořice) kam ich mir hier teilweise völlig entrückt vor. Wenn es für mich nicht so weit von zuhause entfernt wäre, würden sich weitere Erkundungen lohnen.
Auf den letzten 60 km des Tages befand ich mich bereits wieder in meinem Standard-Tourengebiet, weshalb es mir nur noch um's nachhause kommen ging. 19.45 Uhr hatte ich meine anspruchsvolle Zwei-Tages-Tour mit etlichen lohnenswerten Zielen und teilweise mir noch völlig neuem Terrain geschafft.
Solche Vorstöße ins Unbekannte mag ich besonders!
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