24. Juni 2019

Keine Kompromisse

Das zweite Wochenende meines Rehaaufenthalts in der Median-Klinik Bad Tennstedt liegt hinter mir. Natürlich war ich wieder an beiden Tagen mit dem Handbike unterwegs.

Gleich am Sonnabend stand bei mir das nächste bedeutende Ziel auf dem Tourenplan: die Wartburg bei Eisenach. Es wird wohl im Jahr 2000 gewesen sein, daß ich dort zuletzt - damals bereits im Rollstuhl - gewesen bin. Wieder startete ich sehr früh (meine Schwester nennt das "senile Bettflucht"). Dabei sollte es tagsüber gar nicht übermäßig warm werden. Doch etwas Zeitpuffer nach hinten raus ist mir immer lieber.

Inzwischen lasse ich mich nicht mehr von der Radwegekarte leiten, sondern fahre meist auf den regulären Straßen. Das ist angesichts des geringen Verkehrs prinzipiell auch kein Problem, denn selbst auf den hiesigen Bundesstraßen herrscht oftmals gähnende Leere. Auch gut.

Jedenfalls kam ich dadurch sehr gut voran, so daß 9.00 Uhr schon die ersten 50 km hinter mir lagen. Die Fahrt von Langula über den Hainich hinunter ins Werratal nach Nazza und weiter bis Mihla war dabei - was die Strecke betrifft - endlich mal so, wie ich es mir wünsche: abwechslungsreich mit fordernden und auch entspannten Abschnitten (s. Track vom 22.06., km 38,0 - 51,5). So richtig häßliche Rampen scheint es hier sowieso nicht zu geben, weshalb vermutlich schon an Bergen mit 8% Steigung Warnschilder stehen.

Am Beginn der Auffahrt zur Wartburg kündigte mir dann aber ein Verkehrsschild 15% Steigung an. Das schien allerdings ziemlich übertrieben, es waren wohl eher so um die 12%, und das nur auf ca. 300 m. Ab den Besucherparkplatz direkt unter der Burg ist die Straße eigentlich für Fahrräder gesperrt, doch ich setzte mich über das Verbot hinweg. Schließlich ist bei Radtouren ja mein Handbike der Rollstuhlersatz. Diese letzten 500 m bis zum Burgtor verlangten jedoch tatsächlich meinen vollen Einsatz. Auf einer Pflasterstraße ging es zunächst steil aufwärts, bis nach der letzten Rechtskurve quasi eine Wand vor mir stand. Bei glattem Straßenpflaster mit mindestens 18% Steigung (wahrscheinlich sogar mehr) auf 30 - 40 m Länge verlor das Vorderrad sogar zeitweise die Traktion. Nur mit einigen Fahrtricks konnte ich mich in flacheres Gelände retten.

Vor der Wartburg oberhalb von Eisenach (Aufnahmeort)
Aber es hat sich gelohnt. Als ich mich nach ausgiebiger Fotopause vor dem Burgtor entschloß, noch in die Burg zu fahren, stellte ich überrascht fest, daß dafür kein Eintritt erhoben wird. Das krasse, unbedingt positive Gegenbeispiel zum Kyffhäuser ... Die Innenhöfe der Wartburg waren dabei größtenteils barrierefrei zugänglich - ein weiterer Grund, weshalb ich den Besuch für Rollifahrer nur empfehlen kann. Vom Besucherparkplatz zum Burgtor gibt es außerdem einen Shuttleservice, den ganz sicher auch mobilitätseingeschränkte Besucher nutzen können. Ob das etwas kostet (vermutlich ja), kann ich allerdings nicht sagen. Doch das ist eigentlich unerheblich.

Solcherart gutgelaunt gestaltete sich der Rückweg meist recht entspannt. Zwar fuhr ich nun bei leichtem Gegenwind durch waldloses Gelände, zwar kamen auch hier wieder langweilige, weil schnurgerade Straßen mit einigen weiteren langgezogenen Anstiegen (zum Schnellfahren zu steil, zum schnell an Höhe gewinnen zu flach), am positiven Gesamterlebnis konnte das jedoch nichts mehr ändern. Endlich.

Meine darauffolgende Tour am Sonntag hatte ich als Entspannungsrunde konzipiert. Ursprünglich wollte ich zur Arche Nebra, wo die bekannte Himmelsscheibe zu sehen ist. Da ich mit meinem Handbike sowieso nicht die Ausstellung besuchen konnte und ich den möglichen Abstecher zum  Fundort auf dem Mittelberg gar nicht auf dem Radar hatte, wählte ich als Ziel letztlich nur den Höhenzug der Hohen Schrecke. Im Nachhinein ärgere ich mich ein wenig darüber. Zwar wären es dann wahrscheinlich 30 km mehr geworden, doch gerade die Fahrt auf den Mittelberg hätte interessant werden können. - Na ja, dann wird es eben später mal.

So gestaltete sich der Rückweg nach Bad Tennstedt, wie auch schon die Anfahrt: nämlich als ziemlich monotones Kilometerfressen. Lediglich der Abschnitt zwischen Wiehe und Schafau (s. Track vom 23.06., km 67,4 - 77,4) hob sich vom gleichförmigen Einerlei ab. Es gibt eben keinen Kompromiß: Entweder man fährt auf Radwegen mit teils schlechtem Untergrund und kommt deswegen nur langsam voran, ODER man rollt flott und ohne Umwege auf perfekt ausgebauten, aber ätzend monotonen Straßen durch eine Landschaft, die etwa so spannend ist, wie das Lesen eines Telefonbuchs.

Hier werde ich ganz gewiß keinen Radurlaub machen!

Track der Handbiketour vom 22.06.2019
Track der Handbiketour vom 23.06.2019

1 Kommentar :

Láďa hat gesagt…

Nudný jak telefonní seznam... :)