19. Dezember 2019

Die Mühen der Ebene

Nun habe ich schon zwei Touren während meines Kurzurlaubs in Magdeburg absolviert. Untergekommen bin ich in der Jugendherberge, die über zwei Zweibettzimmer für Rollifahrer verfügt. Derzeit habe ich allerdings mein Zimmer ganz für mich alleine. Aber nicht nur deshalb fühlte ich mich hier von Anfang an sehr wohl. Die Leute vermitteln mir wirklich jeden Tag auf's neue, willkommen zu sein. - Von mir gibt es dafür 5 Sterne!

Bereits am Tag der Anreise erkundete ich nachmittags das Stadtzentrum der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt. Auf jeden Fall für mich ungewohnt war die Masse an Neubauten, darunter viele inzwischen aufgehübschte Hochhäuser aus DDR-Zeit. Aber der Stadt ist durch einige Kriege übel mitgespielt worden, so daß es im Gegensatz zu Dresden oder Pirna eben nicht mehr viel historische Substanz gibt. Besonders folgenreich war die Zerstörung während des Dreißigjährigen Krieges.

Am Mittwoch startete ich zu meiner erste Rundtour. Bei nahezu frühlingshaften Temperaturen befuhr ich zunächst den Elberadweg auf der rechten Flußseite, bevor ich in Rogätz mit der Autofähre übersetzte und dann noch bis Buch, ca. 8 km vor Tangermünde die linkselbische Radroute nutze. Auf der Fähre in Rogätz mußte ich übrigens wie jeder andere auch meinen Obulus entrichten. Die Fähre ist nämlich privat, so daß die Vergünstigungen für Schwerbehinderte hier nicht gelten.

Kurz davor gab es auch zwei Baustellen auf dem Elberadweg, die nicht passiert werden konnten. Ärgerlich fand ich dabei, daß vorher kein einziger Hinweis auf die Sperrung an der Strecke zu finden war. So mußte ich zweimal wohl oder übel umkehren, nach dem ich bereits ein gutes Stück bis zur Sperrung zurückgelegt hatte.

Ansonsten rollte es an diesem Tag recht gut. Nur einmal fühlte ich mich letztlich unwohl, als ich auf der stark frequentierten Bundesstraße B189 6 Kilometer ohne Radweg bis nach Colbitz überstehen mußte. Für mich erstaunlich war hier, daß sich kein Kraftfahrer durch Hupen darüber beschwerte, sondern mich nahezu alle Fahrzeuge extrem rücksichtsvoll überholten. Vielleicht sind es ja wirklich nur manche Sachsen, die sich nicht im Griff haben. Bei einer ähnlichen Situation auf der Insel Rügen im Dezember 2018 gab es nämlich auch keine wütenden Proteste.

Heute hatte ich mir dann den Besuch des rekonstruierten Ringheiligtums Pömmelte vorgenommen. Bereits die Anfahrt über den linksseitigen Elberadweg konnte nicht mit dem Radweg nordwärts von Magdeburg mithalten. Immer wieder gab es unbefestigte Abschnitte, und - beispielsweise in Schönebeck - sturzackerähnliches Kopfsteinpflaster, auf dem man nur Schritt fahren konnte. Stefan, mit dem ich 2016 den Elberadweg von Dessau nach Dresden getestet habe, wäre begeistert gewesen ...

Innerhalb des steinzeitlichen Ringheiligtums (Aufnahmeort)
Das Ringheiligtum überraschte mich mit einer weiteren Besonderheit: Die Zugangswege waren mit grünen Glassplittern geschottert. Wahrscheinlich wollte man damit das Areal etwas aufwerten, weil der Weg damit im Sonnenschein glitzert. Hollywood läßt grüßen ... Ich jedenfalls habe eine ganze Weile unschlüssig auf dem Parkplatz gestanden, bevor ich mich schließlich doch traute, wenigstens über den unumfahrbahren Beginn des Zugangs mit dem Handbike zu rollen. Denn bei einer vorher entnommenen Probe sah es so aus, als ob ganz scharfkantige Splitter eher die Seltenheit sein würden. Trotzdem: durch diese bescheuerte Idee sperrt man tatsächlich wohl die meisten Rollstuhlfahrer aus. Wenn die Sonne sich in den winzigen Wassertröpfchen des Morgentaus auf der Wiese bricht, sieht das mindestens genauso schön aus - und ist zudem absolut natürlich und umweltverträglich. Diese Effekthascherei war einfach unerträglich und beeinträchtigte nachhaltig meinen Gesamteindruck von dieser Anlage.

Bereits etwas in Zeitverzug, stieg wenige Kilometer später mein Adrenalinspiegel erneut an. Auf der Saalefähre am gegenüberliegenden Ufer (s. Track vom 19.12., km 42,1) regte sich nämlich überhaupt nichts. Lt. der ausgehängten Bekanntmachungen hätte sie eigentlich fahren müssen, doch vielleicht hielt der Fährmann gerade sein Mittagsschläfchen. Nachdem ich eine ganze Weile gewartet und versucht hatte, auf mich aufmerksam zu machen, kehrte ich entnervt um und suchte mir eine alternative Strecke.

Aber noch war die Tour nicht vorbei! Endlos lange schnurgerade Straßen waren nicht nur extrem demotivierend und ermüdend, sondern Asphalt gewordenes Abbild einer nicht minder eintönigen flachen Landschaft. Da macht das Fahrradfahren wirklich keinen Spaß! Zwar kenne ich solche langen Geraden auch von der deutschen Ostseeküstenregion sowie der toskanischen Maremma rund um Grosseto. Dort folgten anschließend jedoch wieder abwechslungsreichere Abschnitte. Nicht so auf meiner zweiten Magdeburg-Tour.

Das sind eben die Mühen der Ebene: Ohne Anstiege gibt's auch keine Abfahrten, keine Täler oder Berge sind zu umfahren - immer nur kurbeln ohne Abwechslung. Letzten Endes sollte ich mich also nicht wundern, warum ich gar nicht so viel schneller als sonst war. Außerdem gehörten die Schotterpisten und das Backsteinpflaster wohl eher unter die Kategorie "Offroad". Mein Handbike ist jedenfalls nicht für dieses Terrain optimiert. Nicht windschnittig, noch durch gute Pflege nahezu ohne Reibungsverluste in den Teilen. In den Bergen spielt das keine große Rolle, hier schon.

Für mich aber bleibt der Mensch und sein Können wichtiger, als die Technik ...

Track der Handbiketour vom 18.12.2019
Track der Handbiketour vom 19.12.2019

PS: Weitere drei Bilder vom Ringheiligtum finden sich hier auf meiner Facebook-Seite.

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