12. August 2020

Einmal und nie wieder!

Nicht, daß ich etwas bereuen müßte! Meine letzte Alpentour in diesem Jahr war wirklich der krönende Abschluß! Sowohl, was die erreichte Höhe betrifft, als auch in Bezug auf die Schönheit und die Schwierigkeit der Strecke stellte meine Fahrt auf den Männlichen alles bisher in diesem Urlaub Erreichte in den Schatten. Das Bergrennradfahrer-Portal Quaeldich.de hatte wirklich nicht übertrieben: 5 Sterne - also die Maximalbewertung - für Anspruch und Landschaft.

Natürlich ahnte ich, daß diese Tour nicht einfach mal so zu absolvieren ist. Deshalb hatte ich mir am Tag zuvor extra handbikefrei genommen und war lieber noch einmal in Interlaken mit dem Rolli auf Achse. Nachmittags sollte es sowieso regnen - und so kam es dann auch.

Auch wollte ich am Dienstag extra früh mit der Tour beginnen, denn ich mußte ja die zusätzlich rund 20 km und 350 Hm für die Anfahrt von Interlaken nach Grindelwald einplanen. Zwei Stunden braucht man dafür schon, zumal das Steilstück bei Stalden bereits etwas mehr Zeit erfordert. Leider mußte ich morgens erst mal den Regen abziehen lassen, bevor ich gegen 6.30 Uhr starten konnte.

In Grund, dem Ortsteil von Grindelwald, wo die eigentliche Auffahrt beginnt - stand ich dann ziemlich ratlos vor einer 20%-Rampe. Auf Bikemap hatte dieses Verbindung ganz plausibel ausgesehen, im Gegensatz zu der eigentlichen Strecke, die ich dann für den Rückweg wählte.  Danach ließ sich jedoch der Weiterweg zunächst gut an. Besonders die vielen Trinkwasserbrunnen sprangen mir sofort ins Auge. Verdursten muß auf dem Weg nach oben keiner! Nach den letzten Wohnhäusern von Grindelwald wurde es bald mühsam. Die Sonne knallte voll auf den Hang, und nur selten spendeten Bäume etwas Schatten. Außerdem bewegten sich die Steigungsprozente konstant im zweistelligen Bereich. Immerhin müssen auf 14,8 km etwa 1270 Hm bewältigt werden, einige kurze Flachstücke inklusive.

Schon ab km 25 begann ich, öfter mal eine kurze Pause einzulegen. Da lagen noch 8,5 km und 780 Hm bis zum Gipfel vor mir. Die andauernde Steilheit und aber auch die Sonne setzten mir sehr zu, und so sah ich die einzige Möglichkeit, diesem Anstieg beizukommen, im Faktor Zeit. In der Ruhe liegt die Kraft - in diesem Fall in regelmäßigen knapp 1-minütigen Ruhepausen zum Verschnaufen. Irgendwann wollte ich ja oben ankommen. Trotzdem konnte ich nicht ganz unbesorgt sein, denn ab ca. 13.00 Uhr waren Gewitter angekündigt. Öfter als sonst ging also mein Blick zum Himmel, um jede Veränderung der Wetterlage sofort zu erkennen. Lieber durch die Sonne gebraten werden, als im strömenden Regen vor den Blitzen zu flüchten.

Blick vom Männlichen nach Grindelwald, der Sattel am Horizont
links des Wetterhorns ist die Grosse Scheidegg (Aufnahmeort)
An der Waldgrenze sah ich schließlich zum ersten Mal mein Ziel. Unendlich weit über mir thronte die Bergstation der Seilbahn, bis dahin baumlose und steile Almweiden. Angesichts meines überdurchschnittlichen Kräfteverschleißes fragte mich ernsthaft, ob ich nicht besser umkehren sollte. Denn inzwischen war es bereits kurz vor Mittag. Aber das immer noch stabile Wetter lieferte mir keinen Vorwand. Außerdem konnte ich mir beim besten Willen nicht mehr vorstellen, diese Tortur bei einem erneuten Anlauf noch einmal auf mich zu nehmen.

Zähne zusammenbeißen, weiterkämpfen! Das Ziel für meine kurzen Sprünge waren immer irgendwelche Auffälligkeiten auf bzw. neben der kleinen Straße. Den Stein, das Schlagloch, den grasbüschelgefüllten Riß im Asphalt anpeilen und dann möglichst bis dorthin vor der nächsten Kurzpause durchhalten. Jeder, der selbst schon solche steilen Passagen gefahren ist, weiß, wovon ich schreibe! So sehr gelitten, wie bei dieser Auffahrt, hatte ich lange nicht mehr! Und obwohl ich das schon mehrmals betont habe: sicher war daran auch mein nicht mehr zu 100% einsatzbereites Handbike nicht ganz unbeteiligt.

Blick vom Männlichen ins Lauterbrunnental mit
Wengen (oben) und Lauterbrunnen (unten, Aufnahmeort)
13.40 Uhr, d.h. 5 Stunden und 20 Minuten (!!!) nach dem Start in Grindelwald, hatte alle Qual ein Ende. Rund um die Bergstation tummelten sich die Ausflügler und betrachteten mich höchstens wie einen Gast aus einer anderen Welt. Bis hierher hatten es an diesem Tag vor meiner Ankunft nur eine Handvoll Radfahrer geschafft, selbst die E-Bike-Fahrer mit eingerechnet. (Wahrscheinlich stößt deren E-Bike-Akku bei diesem Streckenprofil an seine Grenzen.) Ich ließ mir jedenfalls nun viel Zeit, um das grandiose Panorama in alle Richtungen zu genießen. Hierher würde ich mit den Handbike nie wieder kommen!

Immer noch hielt das Wetter durch, und es gab keine Anzeichen für einen baldigen Witterungsumschwung. Dafür machten sich während der Abfahrt meine Bremsbeläge bemerkbar. Seit dem Bremsbelagwechsel war ich zwar erst ca. 400 km gefahren, aber die schleifende Bremsscheibe hatte da wohl ganze Arbeit geleistet. Ein Grund mehr, nun die Alpenpässejagdsaison zu beenden.

Im Wissen darum bog ich jedoch noch einmal ins Lauterbrunnental ab. 2002 war ich von den hunderte Meter hohen Steilwänden schwer beeindruckt, hatte ich doch nie zuvor so etwas gesehen. Diesmal freute ich mich über das Wiedersehen, denn hier bzw. in Grindelwald begann vor 18 Jahren meine Karriere als Alpenpässejäger im Handbike.

So schließt sich der Kreis.

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