10. August 2020

Parade der Schlappschwänze

Ich habe lange überlegt, ob ich diese drastische Überschrift wähle. Schließlich gibt es genügend Leute, die gewichtige Gründe dafür anführen können, daß sie ein E-Bike verwenden. Zum Beispiel ältere Radfahrer (wobei "alt" ja immer relativ ist) oder eben auch Sportler mit Handicap, wie relativ hoch gelähmte Tetraplegiker. Aber ist das dann tatsächlich noch Sport, wenn sich nicht genau bestimmen läßt, was die persönlich erbrachte Leitung ist und welchen Anteil am Vorwärtskommen der Elektroantrieb hat?! - Gestern jedenfalls sind mir am Berg etliche E-BikerInnen begegnet - kostümiert wie bei der Tour de France - die sich selbst offensichtlich als ganz tolle Sportler gesehen haben. (Übrigens: Genußfahrer ohne sportlichen Ehrgeiz oder Berufstätige, die das E-Bike für den täglichen Arbeitsweg statt eines Autos verwenden, nehme ich ausdrücklich von dieser negativen Kategorisierung aus ...)

Am 09.08. hatte ich mir die Rundtour ab Interlaken über Grindelwald und die Große Scheidegg vorgenommen. Dieser Übergang war der erste Paß, den ich im Handbike erklommen habe. Damals herrschte weit oben nebelig-feuchtes Wetter, doch konnte ich mich an keine nennenswerten Schwierigkeiten auf den Weg nach oben an jenem 17.07.2002 erinnern.

Grandiose Hochgebirgslandschaft östlich knapp unterhalb der
Grossen Scheidegg (Aufnahmeort)
Umso überraschter war ich diesmal über den Charakter der Auffahrt. Nach dem moderaten Streckenabschnitt zwischen Interlaken und Grindelwald - nur bei Stalden wurde es für ca. 1,5 km mal etwas anstrengender (s. Track vom 09.08., km 14,5 - 15,5) - begann bereits im oberen Teil des Ortes der Kampf um den Berg. Quaeldich.de gibt 927 Hm auf 10 km an - das ist schon eine eindeutige Ansage! Aber ich hatte mich vorher nicht darüber informiert, wunderte mich stattdessen jedoch sehr bald über die Steilheit der Straße. Ab dem Hotel Wetterhorn war der Weiterweg eigentlich für den Privat-Kfz-Verkehr gesperrt, doch passierten mich auf den restlichen 7 km immer noch etliche Einheimische und Anlieger mit dem Auto. Dazu kamen die Postautos, die geradeso noch auf das einspurige Sträßchen paßten. Trotzdem gab es während meiner Fahrt nie irgendwelche Probleme, denn sie kündigten sich bereits von Weitem mit ihrem typischen Drei-Ton-Signalhorn an, so daß ich immer rechtzeitig die Straße räumen konnte.

Die Busfahrer selbst waren echt tiefenentspannt. Das müssen sie wahrscheinlich auch sein, denn vermutlich kommen ihnen gelegentlich auch unvernünftige Radler in die Quere. Ich verpeilte mich auch einmal, als ich den zweiten unmittelbar folgenden Bus versehentlich nicht abwartete. Aber sogleich ergab sich eine Gelegenheit zu einem freundlichen Schwätzchen mit dem Fahrer, der - wie seine Kollegen auch - mich bereits während meines Aufstiegs gesehen und gegrüßt hatte. Deren aufrichtige Anerkennung war mir sicher!

Kurz vor dem Mittag mußte ich immer öfter anhalten. Zeit für Energienachschub, den ich mir eigentlich für den Scheitelpunkt aufheben wollte. Die Pausen hatten jedoch auch ihr Gutes, denn immer wieder kam ich unterwegs mit Leuten ins Gespräch. Da waren die Eltern, die ihren Sohn von der Straße aus per Fernglas durch einen Kletterweg am Wetterhorn begleiteten. Oder auch das Radfahrer-Pärchen, mit denen ich gemeinsam über die E-Bike-"Sportler" herzog. 

Die Letztgenannten waren / sind nämlich mittlerweile beinahe wie eine Seuche. Vor 18 Jahren teilte ich die Straße hier nur mit einigen wenigen Radsportenthusiasten und den Postbussen. Heute höre ich die Geräusche der unter Vollast laufenden E-Motoren hinter mir schon von weiten, bevor mich dann nicht selten irgendwelche unförmigen Klopse / Strichmännchen oder alternativ faschingsbunt bekleidete Möchtegern-Sportler überholen. Leider übervölkern diese Gestalten inzwischen auch die Hochgebirgs-Singletrails und verringern damit durch ihre bloße Anwesenheit und ihre fehlende (geländeschonende) Fahrtechnik die Akzeptenz bei den Einheimischen, die nicht vom Tourismus leben. Allerdings bringe ich es meist nicht über's Herz, den Gruß der E-Biker unbeantwortet zu lassen, wenn sie mich als erstes grüßen. Da geht Höflichkeit vor persönlicher Einstellung ... 

13.00 Uhr erreichte ich endlich den höchsten Punkt in der Gewissheit, daß nun keine nennenswerten Steigungen mehr bis zum Ausgangspunkt kommen würden. Doch auch die Abfahrt wäre sicherlich noch viel entspannter mit einem zu 100% funktionierenden Bremssystem gewesen. So war ich froh, als ich mich endlich (langsamer als sonst) die vielen Kilometer heruntergebremst hatte.

Auf dem Rückweg über das Aaretal und entlang des Brienzersees mußte ich leider wieder durch eine Gluthölle. Die Hitze kann einem den ganzen Spaß verderben! Das Schwitzen ging nach der Ankunft auf dem empfehlenswerten TCS Camping Interlaken noch eine ganze Weile weiter, bis die Sonne hinterm Berg verschwand.

Aber auch das habe ich überstanden.

1 Kommentar :

Láďa hat gesagt…

Ahoj, každý nemá takové sportovní ambice jako ty nebo já. Není tak trénovaný, nebo třeba nemá tolik času. S e-biky bys se měl smířit... 🤪