18. August 2024

Schutzpatronin der Radfahrer

Meine Alpenpässejagd des Jahres 2024 ist beendet. Ein Ziel stand zwar noch auf meiner Planungsliste, doch nachdem für heute Dauerregen angekündigt und daran anschließend die Wetterlage weiterhin unsicher war, entschied ich mich gestern zur Heimfahrt. Trotzdem gab es mit der Ausfahrt am Commer See natürlich einen würdigen Abschluß meines Italienurlaubs. Anstatt der ursprünglich vorgesehenen Komplettumrundung des Sees kürzte ich die Strecke jedoch zugunsten eines Abstechers zur Madonna del Ghisallo (760 m) mit anschließender Fährüberfahrt von Bellagio nach Menaggio.

Hier ist die Schutzpatronin der Radfahrer zuhause
(Aufnahmeort)
Vorher hatte ich noch nie von dieser der Madonna del Ghisallo geweihten Wallfahrtskirche rund 500 m hoch über dem Comer See gehört, erst der Tip eines Radsportlers auf Strava machte mich darauf aufmerksam. Dabei kennt die Madonna in Italien vermutlich jeder Radsportler. Sie wurde nämlich 1949 vom Papst Pius XII. zur Schutzpatronin der Radfahrer ernannt (s.a. Wikipedia-Artikel).

Zum frühestmöglichen Zeitpunkt startete ich also am Freitag meine achte Handbiketour bei noch angenehm kühlen Temperaturen um die 21°C. Ein leichter Anstieg von 40 Hm, dann immer abwechslungsreich auf der Uferstraße im leichten Auf und Ab. Es rollte prima, und das war auch gut so. Denn auf den nächsten Kilometern kamen nicht nur mehrere Tunnel, die bei dem geringen Straßenverkehr am Morgen wesentlich streßfreier zu durchqueren waren.

Die Stelle, die mir am meisten Kopfzerbrechen bereitete, war ein reichlich 2 km langes Stück Straße südlich von Abbadia Lasianda, welches vierspurig und ohne Randstreifem zur "Autobahn" ausgebaut wurde (s.  Track vom 16.08., km 31,7 - 34,0). Da an dieser Stelle kein Platz für eine weitere Verkehrsverbindung zwischen Felswand und Seeufer verblieb, mußte bzw. durfte man als Radfahrer dieses Nadelöhr mit nutzen. Selbst mir als hartgesottenen Straßenfahrer war das nicht ganz geheuer.  Noch vor Neun lag dieser kritische  Abschnitt aber hinter mir. Die allermeisten Autofahrer passierten mich dabei sehr rücksichtsvoll, doch es gab eben auch mindestens einen Idioten, der etwas gegen mich hatte und laut hupte. Das passierte mir an diesem Tag noch mehrere Male, z.B. auch im Tunnel. In dieser doch recht mondänen Region scheint es eben öfter weniger entspannte Leute zu geben. Bemerkenswerterweise waren es gerade diejenigen, welche mit irgendwelchen Schrottkisten und Klein(st)wagen auf Achse waren.

Lecco am Comer See (Aufnahmeort)
Hinter Lecco folgten am westlichen Ufer des südöstlichen Arms vom Comer See etliche weitere Tunnel, darunter unmittelbar darauf die zwei längsten mit 1750 m sowie 2200 m Länge. Eine Umfahrung war hier ebenfalls nicht (mehr) möglich, denn den Zugang zur alten Straße hatte man mit Touren verriegelt und verrammelt. Wahrscheinlich wegen Steinschlaggefahr oder weil diese inzwischen über Privatgrund führte. Jedenfalls mußte ich auch hier in den sauren Apfel beißen.  Glücklicherweise konnte ich hier auf ebener Strecke volle Pulle durch die Röhren blasen, sodaß sie bald hinter mir lagen.

Der Aufstieg zur Schutzpatronin begann dann nach 50 km in Onno kurz vor Zehn. Die Strecke über Asso bot die geringsten Steigungsprozente. Bei der sich nun allmählich entwickelnden Hitze reichte das aber völlig aus. Wenigstens einen Teil der Strecke konnte ich schattig im schützenden Wald zurücklegen, auch gab es kurz vor dem Ende des ersten Anstiegs in Maisono eine hochwillkommene Wasserstelle (s. Track vom 16.08., km 55,9). Nach einer kurzen Abfahrt und einem längeren Stück mit moderateren Steigungswerten, setzte mir das letzte Steilstück in der prallen Sonne an Barni vorbei dann noch einmal richtig zu, dabei war die Straße wahrscheinlich nicht steiler als 8-10%. Kurz nach dem Mittag war auch das überstanden.

Eine halbe Stunde gönnte ich mir nun, um mich auf dem Areal umzusehen. Mit meinem Handbike konnte ich sogar in die kleine Kirche hineinrollen - sehr interessant! Überrascht hat mich dann die Abfahrt nach Bellagio. Bis es endgültig abwärts rollte, mußte ich zwischendurch nämlich noch einmal einen Gegenanstieg mit immerhin rund 35 Hm überwinden. Wenn man so etwas (wie ich) nicht erwartet hat, ist das tatsächlich eine mentale Herausforderung. Die (von oben gesehene) zweite Serpentinenfolge wies danach neben engen Kurven auch einige mit 14% ausgeschilderte Passagen auf. Bei dieser Hitze hätte ich mich da nicht hochquälen wollen. 

Nervenaufreibend wurde dann auch die Fahrt durch die menschenverstopften engen Gassen von Bellagio. Erst am Ufer verteilten sich die Massen auf mehr Fläche. Dafür waren weder die Ticketschalter für mich im Handbike erreichbar, noch entdeckte ich zunächst den Ableger für die (Auto-)Fähre. Aber da ich nicht auf den Mund gefallen bin, löste sich das alles nach und nach auf. Ein Angestellter wies mir den Weg zur Fähre, ein anderer, der dort als Einweiser ziemlich genervt schien, leitete mich schließlich direkt auf die Fähre weiter, nachdem ich ihm klargemacht hatte, daß ich kein "normaler" Fahrgast (also ohne Handikap) sei. Und sein Kollege auf dem Schiff war wieder völlig locker und verkaufte mir ein Ticket für die 15minütige Fährüberfahrt von Bellagio nach Menaggio (6,50 EUR). Eigentlich wollte ich ja nach Cadenabbia, doch Mennagio war sogar noch besser. Zusammenfassung: Ich kam, sah und fuhr über den See. Die Fähre nach Cadenabbia hätte erst eine halbe Stunde später abgelegt. Die Fährfahrt konnte ich nun in vollen Zügen genießen, ein tolles Erlebnis!

Wieder am Ufer und etliche Kilometer sowie - zwei Tunnel später - gerade, als ich dachte, daß nun alle Messen gelesen sind - tauchte doch noch ein Problem auf. In San Vito (übersetzt: St. Veit - einer der vierzehn Nothelfer) entschloß ich mich, den eingezeichneten Radweg zu versuchen. Der war von Anfang an jedoch merkwürdig, sah eher aus wie ein Fuß-/Wanderweg, denn wie eine Radtrasse. Beim Manövrieren durch eine sehr enge 90° Kurve, die ich mit hundertfachem Rangieren auf engstem Raum endlich nach etlichen Minuten passieren konnte, hatte sich eine Schraube meines Lenkungsdämpfers gelöst, sodaß er völlig wirkungslos wurde. Bisher dachte ich, daß in einem solchen Fall die Tour zu Ende wäre. Glücklicherweise war dem nicht so. So bald wie möglich verließ ich daher den "Radweg" und kletterte mit meinem angeschlagenen Gefährt hinauf zur Hauptstraße. Bis zum Ziel waren es noch rund sechsundzwanzig Kilometer.

Trotz des Schadens habe ich es noch ins Basislager geschafft, überdies erstaunlich schnell und problemlos Nur enge Kurven mied ich, und auch weitere Experimente mit Radwegen. Die stark befahrenen Hauptstraßen waren in diesem Fall die wohl beste Alternative, bei mittlerweile 35°C im Schatten benötigte ich auch so schon überdurchschnittliches Durchhaltevermögen. 17.00 Uhr rollte ich endlich auf dem Camping Piona ein.

Ein Tag voller Erlebnisse!


PS: Gleich am nächsten Morgen - noch vor der Abfahrt in Richtung Heimat - habe ich mein Handbike repariert. Ich hoffe, es hält nun.

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