4. September 2023

Ehrlichkeit hat Vorrang

Jeder Trainingskilometer zählt, und so habe ich auch am 1. September nach  Feierabend noch eine Runde gedreht. Eine sich nähernde Regenfront bestimmt die Richtung meiner Ausfahrt, die sich gar nicht so schlecht anließ. Ein paar Höhenmeter gleich zu Beginn waren überdurchschnittlich schnell gesammelt, und auch der Anstieg aus dem Kirnitzschtal nach Lichtenhain bereitete mir keine Probleme. Nach längerer Sperrung wegen Forstarbeiten und Schäden am Fahrweg ist dieser Radweg (s. Track vom 01.09., km 34,1 - 36.6) nun wieder ohne Einschränkungen befahrbar und gegenwärtig die einzige Möglichkeit, das vordere Kirnitzschtal auf guter Asphaltdecke zu verlassen.

Weiterhin trockenes Wetter verlockte mich ab Sebnitz zu einem Umweg über den Schluckenauer Zipfel (Šluknovský výběžek), welcher überdies noch wesentlich weniger Anstiege und damit Höhenmeter bereithält, als die Alternativen über Ulbersdorf oder gar am Unger vorbei. Zum Schluß zogen jedoch relativ schnell dunkle Wolken auf, die dann während meiner letzten zwölf Tourenkilometer ab Dürrröhrsdorf für Regen sorgten. Dabei kam ich aber ziemlich gut weg, denn der kräftige Landregen setzte erst zuhause nach meiner Ankunft ein.

Am Sonnabend ließ ich - sportlich gesehen - alle Viere grade sein, denn ich wollte meiner rechten Schulter etwas Ruhe gönnen. Die meldete sich auf der vorangegangenen Tour seit längerer Zeit wieder einmal. Vielleicht ist's ja das vielzitierte "Reißen in den Knochen" der Alten aufgrund der herbstlichen Wetterwende. Urlaubsbericht schreiben, einkaufen, ausgiebige Körperhygiene sowie eine Reizstrombehandlung für das strapazierte Gelenk und außerdem viel Ruhe, der Tag ging trotzdem viel zu schnell vorbei.

Die Waldschlößchenbrücke in Dresden am Morgen,
einst der Grund für die Aberkennung des Stadtzentrums
als UNESCO-Weltkulturerbe (Aufnahmeort)
Als ich dann gestern kurz nach Drei in der Nacht nicht mehr schlafen konnte, machte ich mich bereit für eine längere Ausfahrt. Geplant hatte ich eine Handbiketour ins Osterzgebirge, doch bereits für die Anfahrt wählte ich spontan den Umweg über Dresden und sparte mir damit lieber einen weiteren Anstieg. Bis zur Hochfläche auf dem Osterzgebirgskamm hinter der Talsperre Fleyh (Fláje) ging es nun mehr als 55 Kilometer beständig bergauf, unterbrochen nur durch ein paar anstrengende Bergauf-Bergab-Passagen im Mittelteil zwischen Friedersdorf und der deutsch-tschechischen Grenze.

Aber die Witterungsbedingungen waren nahezu perfekt für mich: 16 - 20° Lufttemperatur, leichter Nordwestwind und keine Sonne. Nicht ohne Grund absolviere ich die meisten Langstrecken im Spätfrühling und Frühherbst, obwohl im Sommer die Tage am längsten sind.

Ab Zinnwald wäre ich eigentlich über das Müglitztal nachhause gefahren, so sah es jedenfalls meine Planung vor. Ich aber vergegenwärtigte mir die Aktion eines Strava-Bekannten, der am Vortag mit Schweizer Sportfreunden einen Langen Kanten, inklusive des Osterzgebirgskamms, gefahren war. Das sollte doch auch für mich möglich sein, sofern ich ebenfalls dieser Strecke bis nach Tetschen (Děčín) folgte! Die kraftraubendsten Berge lagen ja bereits hinter mir, und den letzten größeren Anstieg am Ortsausgang von Tyssa (Tísa) würde ich mir sparen, indem ich vorher ins Eulautal abbog und meine "Rennstrecke" (die Straße I/13) hinab ins Elbtal rollte.

Aber schon in Pirnas Partnerstadt stellte ich fest, daß ich immer noch zuwenige Kilometer für das angepeilte Ziel von 200+ hatte. (Nach jahrelanger Fahrpraxis habe quasi fast alle Entfernungen zwischen wichtigen Punkten in der Region im Kopf.) Mit der ersten Extrarunde durch Tetschen hoffte ich, diesbezüglich Abhilfe zu schaffen. Bei meiner Heimfahrt auf dem Elberadweg begriff ich aber spätestens in Rathen, daß dies nicht gereicht hatte. Also hängte ich kurz nach dem Sonnenuntergang ein weiteres Zackel an, und zwar unmittelbar vor dem Ziel in Pirna.

Was ich nicht bedacht hatte, war der Umstand, daß mein Garmin-Sensor unter bestimmten Bedingungen (z.B. erheblich geringerer Geschwindigkeit als das Standard-Tempo von wahrscheinlich 20 km/h) mehr zählt als tatsächlich zurückgelegt. Ich gleiche dies immer bei Strava durch die Distanzkorrektur auf und überprüfe dies gleichzeitig mit der ermittelten Streckenlänge von Wikiloc sowie zwei weiteren Anwendungen auf meinem Rechner. - Tja, und danach waren es nur noch 199 km! Dabei hätte ich meine Pirnaer Stadtrundfahrt nur wie kurz vorher geplant fahren müssen. - Aber nein, weil er nicht erst die Beleuchtung herausholen wollte, wählte der Herr die etwas kürzere Strecke! Ärgerlich ...

Wer jetzt fragt, warum ich denn diesmal nicht die Distanzkorrektur weggelassen bzw. rückgängig gemacht habe, dem sage ich folgendes: Alle meine Testanwendungen (s.o.) zeigten diese 199 km! Das kann und will ich nicht ignorieren - schließlich darf ich von anderen nur erwarten, was ich selbst zu tun bereit bin. Lieber in diesen saueren Apfel beißen und mir damit aber selbst treu bleiben! Ich kenne mehrere Leute, die schummeln und betrügen oder sogar die Leistungen vermeintlicher Konkurrenten verächtlich machen, bloß um sich selbst anderen gegenüber besser darzustellen. Das geht von völlig unrealistischen Ankündigungen, die weit über das eigene Leistungsvermögen hinausreichen (s. Affäre B.G.) über den permanenten Einsatz von Dopingmitteln (Zitat: "weil ich es anders nicht aushalte") bis zum Kleinreden von Statistiken (Aussage: "also in Sachsen kann man ja gar nicht so viele Berge / Höhenmeter fahren, wie bei mir zuhause in den Alpen").

Starke Persönlichkeiten mit Charakter verabscheuen solche Methoden! Wer in sich selbst ruht, dem ist es letztlich egal, was irgendwelche Niemands über ihn sagen. Ein solcher Mensch kann aber auch mit einer ehrlichen Meinung von Gleichgesinnten - die durchaus nicht immer gefallen muß - umgehen und darauf angemessen (z.B. durch Taten oder Verhaltensänderungen) reagieren.

Ich zähle mich dazu.

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