1. Dezember 2021

Exil auf Zeit

Ganz kurzfristig habe ich mich entschlossen, meinen jährlichen Saure-Gurken-Zeit-Kurzurlaub in Halle (Saale) zu verbringen. In Sachsen gilt nämlich derzeit erneut ein Beherbergungsverbot. Aus diesem Grund klappte es auch in diesem Jahr nicht mit Görlitz.

Die Leute in Sachsen-Anhalt sind wesentlich realistischer und auch kreativer. Hier fand ich nicht nur in der Jugendherberge die für mich perfekte barrierefreie Unterkunft, sondern besuchte auch gleich gestern am Tag der Anreise den - nun ja - Wintermarkt im Zentrum der schönen Altstadt. Denn der Weihnachtsmarkt wurde abgesagt. Mal ehrlich: der Wintermarkt sieht genauso aus wie ein Weihnachtsmarkt, er ist eingezäunt, und an den Eingängen kontrolliert ein Sicherheitsdienst, ob man auch zum Besuch berechtigt ist. Denn leider werden auch hier Ungeimpfte ausgeschlossen. Trotzdem liebe ich die Hallenser für ihren Einfallsreichtum! Solche Schlitzohrigkeit verdient in diesen Zeiten Anerkennung! 

Heute nun habe ich meine erste Runde mit dem Handbike gedreht. Ich paßte meine Planung an den teils stürmischen Südwestwind an, indem ich die noch zuhause zusammengestellte Tour einfach in Gegenrichtung fuhr. So konnte ich wenigstens auf dem ersten Teil der Strecke vom Rückenwind profitieren. Außerdem verliefen die ersten Kilometer des Rückwegs geschützt im Wald, sodaß mir das Gebläse nur rund um Delitzsch arg zusetzte.  

Ursprünglich wollte ich eine wesentlich kleinere Runde fahren. Doch es rollte - auch wegen des Windes - besser als erwartet, und so hängte ich noch den Abstecher nach Dessau-Roßlau dran. Die Stadt ist bekannt als Gründungsort des Bauhaus-Stils.

Dann das Ereignis, welches mich für den Rest des Tages beschäftigte. Kurz vor Dessau fuhr ich auf dem die Bundesstraße B184 begleitenden Radweg. Vielleicht durch mich gestört, flog ein Greifvogel auf und in Richtung der stark befahrenen Straße. Ich sah, wie er ca. 100 m vor mir in den Windwirbel eines Kleintransporters geriet und daran abprallte. Einen direkten Aufschlag hatte es wohl nicht gegeben. Der stolze Vogel taumelte und ging zu Boden. Unmittelbar darauf war ich bei ihm, konnte ihn jedoch nicht erreichen, weil er ziemlich weit oben auf  der steilen grasbewachsenen Böschung lag. Immerhin bewegte er sich noch, sein Kopf war allerdings im Gras verborgen (siehe Bild). Ich vermutete bzw. hoffte, daß er nur betäubt war.

Das letzte Foto eines Herrschers der Lüfte (Aufnahmeort)
Wieder ein paar Meter weiter gab es eine asphaltierte Auffahrt zur Straße. Dort versuchte ich zunächst vergeblich, Autos per Handzeichen anzuhalten. Dann zwang ich sie zu bremsen, indem ich mit dem Vorderrad meines Handbikes die Straße blockierte. Wenn die Autos dann langsamer wurden, versuchte ich, zu den Insassen Kontakt aufzunehmen, um Hilfe für den Vogel anzufordern. Es wurde ein Offenbarungseid. Kein Autofahrer half. Sobald ich die Straße freimachte, fuhren sie weiter, und selbst die zwei Leute, bei denen es mir gelang, sie anzusprechen, hatten kein Interesse, mich bei der Rettungsaktion zu unterstützen. Ein Idiot in der Reihe der wartenden Autos hupte sogar.

Schwer enttäuscht, gab ich nach ca. 20 Minuten auf und fuhr noch einmal zurück zu dem verunglückten Federtier. Es bewegte sich nicht mehr - selbst als ich nach einen heiklen Manöver die äußersten Federn seiner linken Schwinge zupfte. Ein weiteres Opfer in einer schier endlosen Reihe von Tieren, denen ich auf meinen Touren schon begegnen mußte.

Was mich so ärgert, ist die Gleichgültigkeit der Menschen gegenüber anderen. ICH, ICH, ICH ... sonst nichts. Aber dann einen auf Öko, Bio und wie dieser Scheiß sich sonst noch nennt (ja, auch Elektro-Autos gehören dazu!), machen. Es wird Zeit, daß sich der Makroorganismus "Planet Erde" des Menschen entledigt oder diesen Störfaktor zumindest soweit dezimiert, daß er nicht mehr ins Gewicht fällt! Ich hoffe, daß ich bis dahin nicht mehr lebe, oder mein Ableben wenigstens schnell und schmerzlos vonstatten geht. - Diese Spezies, die sich so gern als vernunftbegabt bezeichnet, ist die größte Katastrophe für die Biosphäre!

Innerlich aufgewühlt, dauerte es lange, bis ich wieder einigermaßen meinen Rhythmus fand. Der Tag war für mich gelaufen. Die Landschaft konnte mich jedenfalls nicht aufmuntern, denn die kilometerweit schnurgeraden und damit langweiligen Straßen durch die meist eintönige Gegend eigneten sich wirklich nur zum Metermachen. Lediglich der gut ausgebaute Radweg durch die Seenlandschaft der ehemaligen Braunkohletagebaue zwischen Mühlbeck und Laue (s. Track vom 01.12., km 80,9 - 92,4) bleibt mir als nettes Intermezzo in positiver Erinnerung.

Ob's auf der nächsten Tour besser wird?

1 Kommentar :

Unknown hat gesagt…

Och, wie traurig. So ein mächtiger schöner Vogel und so ein elendes Ende. Und die Menschen... Unfassbar hässlich ist die Gleichgültigkeit.